Berlin. Angela Merkel kritisiert in ihrem ersten Fernsehinterview nach ihrer Amtszeit die AfD und spricht über ihr Verhältnis zu Erdogan.

Eine ihrer letzten Reden als Bundeskanzlerin hielt Angela Merkel (CDU) am 3. Oktober 2021 in Halle an der Saale zum Tag der Deutschen Einheit. Ihr erstes TV-Interview nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt hat Merkel nun für die ZDF-Dokumentation "Am Puls mit Mitri Sirin" gegeben, die am Dienstag, 3. Oktober 2023, 19.20 Uhr im ZDF, der Frage nachgeht, warum für viele Ostdeutsche und Menschen mit Migrationsgeschichte der Einheitstag kein wirklicher Feiertag ist. "Das Thema als solches interessiert mich", betont Angela Merkel im Gespräch mit ZDF-Moderator Mitri Sirin.

Darin erläutert sie unter anderem ihre generelle Zurückhaltung bei Äußerungen zu ihrer ostdeutschen Prägung während ihrer Regierungszeit. Mit Blick auf ihre Rede 2021 in Halle sagte sie dem ZDF: "Ich hätte so eine persönliche Bemerkung in meiner Amtszeit, wenn es da nicht zum Ende hin gegangen wäre, wahrscheinlich nicht gemacht, weil ich mich immer als Kanzlerin aller Deutschen verstanden habe."

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Ex-Kanzlerin äußert sich zu Missmut ihr gegenüber in Ostdeutschland

In der Rede kurz vor dem Ende ihrer Kanzlerschaft hatte Merkel von Erfahrungen gesprochen, bei denen ihre ostdeutsche Vergangenheit als "Ballast" ausgelegt worden sei. "Als zähle das Leben vor der Wende nicht - Ballast eben", sagte sie in Halle. Merkel wurde in Hamburg geboren, wuchs dann aber in der DDR auf. Beim Mauerfall war sie 35 Jahre alt.

Auf eine Frage zu Missmut ihr gegenüber in Ostdeutschland sagte sie im ZDF-Interview: "Es gab einen Teil der Menschen, die sehr wütend auf mich waren. Das hat begonnen während der Zeit, als der Euro in Schwierigkeiten kam." Die Lage habe sich polarisiert, "als sehr viele Flüchtlinge zu uns kamen". Doch es sei "eine sehr radikale und auch laute und intolerante Gruppe" gewesen.

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Deshalb gibt es für Angela Merkel einen Unterschied zwischen dem Staat DDR und dem persönlichen Leben

In dem Interview mit Sirin betont die Ex-Kanzlerin darüber hinaus, dass es einen Unterschied zwischen dem Staat DDR und dem persönlichen Leben dort gegeben habe. "Die DDR hat es trotz aller Versuche, Jugendliche immer wieder zu beeinflussen, natürlich nicht geschafft, die Familie zu ersetzen. Man hatte Freunde, man hat gefeiert, wir sind mit den Eltern in den Urlaub gefahren. Das waren ja alles Erlebnisse", sagte sie dem ZDF.

"Und dann gibt es noch die prägenden Erlebnisse durch den Staat. Ich meine, die Anwesenheit von Freiheit formt Menschen, aber die Abwesenheit von Freiheit formt sie ja auch." Sie habe immer auch darüber geredet, dass es einen Unterschied gebe "zwischen dem Staat DDR, dessen Überwindung wir natürlich alle begeistert gefeiert haben und einem persönlichen Leben, das ja in jedem Land mehr ist als nur die staatliche Struktur", so Merkel.

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Angela Merkel: "Pass auf, deren Bundeskanzlerin bin ich"

Die Ex-Kanzlerin erklärte gegenüber dem ZDF außerdem, dass sie Bundeskanzlerin aller Menschen war, die dauerhaft in Deutschland leben. "Ich habe darüber auch mit dem türkischen Präsidenten Erdogan sehr häufig gesprochen", sagte sie.

Es sei um die Frage gegangen, wer verantwortlich sei für türkischstämmige Menschen, die hier in zweiter oder dritter Generation wohnen. "Und ich habe immer gesagt: 'Pass auf, deren Bundeskanzlerin bin ich'." Deutschland umfasse alle. "Da wir ja jetzt auch in den letzten Jahren sehr viele Menschen haben, die dauerhaft in unserem Land leben und noch nicht immer hier gelebt haben, ist das wieder eine neue Aufgabe, dass wir sie mit aufnehmen."

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Wieso das Wählen der AfD bei Ex-Kanzlerin Merkel auf Unverständnis trifft

Sie sprach auch davon, dass sie kein Verständnis dafür habe, wenn Menschen die AfD wählen. "Wenn man sich sozusagen auf Kosten anderer Menschen, auch anders aussehender Menschen und Menschen mit anderer Biografie profiliert, dann ist das nichts, wofür ich Verständnis habe."

Sie verstehe, dass man über manches verärgert sei. Aber sie sei nicht bereit zu akzeptieren, dass man deshalb Ideen und Gedankengut unterstütze, die für sie nichts mit Toleranz zutun hätten. "Da würde ich immer dagegen argumentieren und würde sagen, man kann in dieser demokratischen Gesellschaft auch anders seine Kritik und seinen Ärger zum Ausdruck bringen", erläutert Merkel. (cla/dpa/news aktuell)

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