Erfurt. Der Kritiker und Kolumnist Henryk Goldberg wird am Montag 70 Jahre alt. Er ist eine wichtige publizistische Stimme im Lande Thüringen.

Wer zählt die Texte, nennt die Dramen, die über Jahre hier zusammenkamen!? Nun, das werden wohl nicht mal Leute tun, die diese unsere Zeitung nur seinetwegen lasen – oder lesen. Die soll’s ja geben. Was ich insofern bestätige, als auch mein passives wie später aktives Interesse an diesem Blatt einst mit ihm begann.

Henryk Goldberg war 23 Jahre lang Kulturredakteur der Thüringer Allgemeinen – und nicht nur als Theater- und Filmkritiker eine der wichtigsten publizistischen Stimmen im Lande. Alles andere konnte man lesen, ihn musste man gelesen haben. Und das gilt bis heute, da der Autor, der mit dem sogenannten Rentnerdasein gelegentlich kokettiert, im fünften Jahr als freier Kolumnist und Kritiker für diese Seite weiterschreibt.

Früher hieß die Kolumne „Salon“, heute heißt der Salon „Goldberg“. Das ist für einen, der sich zwar zu seiner Eitelkeit bekennt, mit PR auch in eigener Sache aber nichts am Hut hat, als Markenentwicklung so erstaunlich wie folgerichtig. Früher hieß diese Zeitungsseite auch mal „Feuilleton“. Henryk leitete das Ressort nie, dafür gab’ s die besonderen Kompetenzen Sigurd Schwagers; aber er ist das Thüringer Feuilleton.

Und er ist es immer noch. Ein Journalist im engeren Sinne ist er immer noch nicht. „Eigentlich bin ich ja nicht so das Rechercheschwein“, hat er mal geschrieben. Dieser Goldberg findet weniger etwas heraus als dass er etwas vorfindet, zu dem er sich verhält: ob nun auf den Bühnen des Theaters, der Politik oder der Gesellschaft. Er ist weniger Berichterstatter eines Ereignisses als vielmehr des eigenen Nachdenkens darüber. Eine Tageszeitung, die nur daraus bestünde, wäre wohl geschwätzig. Eine, die darauf verzichtete, wäre belanglos.

Henryk Goldberg, der Junge aus Erfurt, hat es bei der allmählichen Verfertigung der Gedanken beim Schreiben zu großer Meisterschaft gebracht. Das öffentliche Reden meidet er, wenn möglich. Das liegt weniger an seiner Neigung zur Introversion, mit der er umgehen und auch spielen kann. Es liegt mehr am Erfurter Idiom, das ihm latent peinlich ist.

Mit der Kraft der Ironie macht er aber aus Schwächen Stärken. Er untertreibt gerne, macht sich listig klein, als Thüringer Bratwurstfresser oder als Ossi, um dann mit einem großen Selbstbewusstsein (dem der Zweifel gleichwohl nicht fremd ist), Haltung zu zeigen. Weil er sie erst entwickelt, ist sie völlig ideologiefrei und nie vorhersehbar. Goldberg beherrscht das Handwerk der Freiheit.

Das war ein weiter Weg, mit vielen Umwegen. Auf diesen ist er „ein bindungsloser bürgerlicher Intellektueller“ geworden, wie er öffentlich gestand. Vorher war er der Genosse Kritiker, beim Neuen Deutschland, bei der Jungen Welt, beim Filmspiegel. Das eigene Denken war ihm schon dort nicht fremd, der übliche Opportunismus aber auch nicht. Wie wenige andere Journalisten aus der DDR reflektiert er diese Biografie offen, denkt sie gleichsam immer mit.

Was das Theater betrifft, so kann es vorkommen, dass ich seine Meinung teile. Das passiert eher selten. Es kommt aber nie vor, dass ich bei seiner veröffentlichten Meinung mit den Schultern zucke. Das hatte stets Relevanz, das hat es auch weiterhin.

Ach ja, alles Gute zum Siebzigsten!