Saale-Holzland. Europawahl im Saale-Holzland-Kreis sieht AfD als klaren Gewinner. Grüne und Liberale machen Boden wett.

Raphael Rheinländer ist gestern Abend einer der Letzten gewesen, der wählen war. Eine Minute vor 18 Uhr hatte er das Wahllokal im Eisenberger Wahlbezirk 2 verlassen. „Schade, an der Europawahl durfte ich mich nicht beteiligen“, sagte der junge Mann, nachdem er das Wahllokal Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr wieder verlassen hatte. „Ich hätte meine Stimme fürs Europa-Parlament gern abgegeben, aber ich werde erst in einem Monat 18.“

Ob mit den Stimmen der Jungwähler ein anderes Ergebnis zur Europawahl im Saale-Holzland-Kreis zustande gekommen wäre, weiß man nicht. Sicher ist indes nach dem gestrigen Wahltag, dass die Volksparteien teils schwere Verluste hinnehmen mussten. Die AfD hingegen legte im Kreis nach dem vorläufigen Wahlergebnis 13,4 Prozentpunkte im Vergleich zu den Europaahlen 2014 zu. Leichte Gewinne machten die Grünen mit 3 Prozent Zuwachs auf 7,2 Prozent und die FDP mit einem Zuwachs von 2,8 Prozentpunkten auf 5,2 Prozent.

Die CDU ist im Saale-Holzland bei der Europawahl zwar noch führende Kraft mit 25,8 Prozent und damit nur knapp vor der AfD mit 23,2 Prozent der Wählerstimmen. Im Vergleich zur Europawahl 2014 hat die CDU 6,6 Prozentpunkte verloren. Mit Ausnahme von Eisenberg, wo die CDU noch zulegen konnte, hat die Union auch in ihren bisherigen Hochburgen im Saale-Holzland Stimmen an die AfD verloren oder gar gänzlich gegen die AfD verloren. Aus Sicht von Johann Waschnewski (CDU), Bürgermeister in Bürgel und einer der Spitzenkandidaten für den Kreistag, folgt das Saale-Holzland dem Trend in Thüringen und im deutschen Osten. „Viele Wähler betrachten die AfD immer noch als Protestpartei, auch im Zusammenhang mit der Flüchtlingssituation.“.

CDU will Vertrauen der Wähler zurückgewinnen

Hinzu komme, dass die Menschen hier relativ wohlhabend seien. Ängste, diesen Wohlstand zu verlieren seien durchaus entscheidend bei der Stimmabgabe. „Für uns als CDU heißt das, dass wir das Vertrauen der Wähler wiedergewinnen müssen“, sagt Waschnewski. Dankend möchte er den vielen ehrenamtlichen Helfern in den Wahlvorständen. Denn viele, die sonst auch als Wahlhelfer aktiv seien, schieden diesmal für die Wahlvorstände aus, da sie selbst für eine der Wahlen gestern kandidiert hatten.

Ein historisch schlechtes Ergebnis fuhr Die Linke ein. 2014 mit 23 Prozent noch zweitstärkste Kraft im Saale-Holzland, rutschte die Partei diesmal in der Gunst der Wähler auf 14,2 Prozent ab.

Eine Klatsche auch für die SPD: Nur noch neun Prozent der Wähler im Landkreis waren nach Schließung der Wahllokale der Meinung, die Sozialdemokraten gehörten in das Brüsseler Parlament. Zum Vergleich: 2014 hatten die Sozialdemokraten bei einem Endergebnis von 15,1 Prozent sogar noch um 1,9 Prozentpunkte zulegen können.

SPD-Kreisvorsitzender Hans-Peter Perschke versuchte am Abend gar nicht erst, etwas an dem Europawahlergebnis schönzureden. „Das ist ein bitteres Ergebnis und die Zeche dafür, wenn man nicht die eigenen Ideale umsetzt.“ Herumkoalieren, um irgendwelche Regierungen zu retten, das habe Konsequenzen. Da spiele es auch keine Rolle, ob man an der Basis gute Arbeit leiste. „Da wird man mit in Haft genommen“, verwies Perschke, der Bürgermeister von Schlöben ist, auf das schlechte Abschneiden seiner Partei im Dorf. Die Gewinne der Grünen seien ein Trend, der anhalten werde. „Die jungen Leute haben die Grünen gewählt, weil sie den etablierten Parteien nicht mehr vertrauen.“

Über den Zugewinn an Stimmen aus dem Landkreis zur Europawahl für die Grünen kann das Kreistagsmitglied Astrid Matthey (Grüne), die auch die Liste ihrer Partei zur gestrigen Kreistagswahl angeführt hat, nicht in Jubel ausbrechen: „Das Ergebnis der AfD ist traurig“, sagt Matthey. Die Menschen, die diese Partei gewählt haben, sollten sich jetzt sehr genau anschauen, wie ihre Vertreter im Europaparlament handeln werden.

Aufwind für die Grünen als Appell an alle Parteien

Den Aufwind für die Grünen sieht Matthey als Appell an alle Parteien im Europarlament. „Klimaschutz ist das große Thema – nicht nur für die Grünen. Das zeigen auch die Friday‘s for Future- Demonstrationen der Jugend als Appell an alle, die Zukunft für die Menschen zu sichern.“

Auch FDP-Kreisvorsitzender Patrick Frisch gibt sich betont zurückhaltend: Sicherlich habe man gegenüber 2014 eine Verdoppelung des damaligen Wahlergebnisses erzielen können. „Der Weg dahin war aber auch harte Kleinarbeit.“ Und eigentlich habe man insgeheim die Hoffnung gehabt, noch besser abzuschneiden und eine Thüringer Stimme nach Europa zu bringen, sagt der Liberale. „Unsere Erwartungen waren größer.“ Mit 5,2 Prozent liege man zumindest im Bundestrend. Was ganz viel zähle, sei, dass man Vertrauen bei den Wählern zurückgewonnen habe. „Wir werden auch im Saale-Holzland wieder wahrgenommen.“ Die Gewinne der AfD sieht Frisch kritisch. Es gibt keine einfache Antworten auf komplexe Themen, gibt der Lippersdorfer zu bedenken.

In großen Jubel über den Stimmengewinn zur Europawahl im Landkreis bricht Jörg Henke, der die AfD als Spitzenkandidat in den Kreistagswahlkampf geführt hat, nicht aus. „Für uns ist das ein positives Ergebnis. Das müssen wir aber erst noch auf Bundesebene betrachten“, sagt der Landtagsabgeordnete.

Er betrachtet das Resultat als eine Marke auf dem Weg zur bevorstehenden Landtagswahl. Er sei überrascht gewesen über das schlechte Abschneiden der Linken, sagte Henke gestern Abend. Größere Gewinne hätte er für die Grünen erwartet. Dass die CDU vor allem auch in seiner unmittelbaren Heimat im Elstertal deutliche Verluste eingefahren habe, führt er darauf zurück, dass es den Christdemokraten vor Ort an Strukturen fehle. Auch Themen wie der Dieselskandal hätten ihre Auswirkungen auf das Verhalten der Wähler gehabt. Das Europawahlergebnis im Landkreis stärke der AfD nun den Rücken für die bevorstehende Landtagswahl, sagt Henke.

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