Jena. Die britische Tiermedizinerin Lisa Sprague gehört zu den jüngst 79 neu Eingebürgerten in unserer Stadt

Für Lisa Sprague ist die Zeit reif, sich nicht mehr allein auf „die Insel“ zu verlassen. Seit 13 Jahren lebt die Tiermedizinerin (Jahrgang 1968) mit ihrer Familie und als Mitarbeiterin eines Forschungsinstituts in Jena. Sie ist britische Staatsbürgerin. Und ja, der Brexit habe sie veranlasst, die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen. Mit 78 anderen Frauen und Männern aus aller Welt, die 2018 in Jena den deutschen Pass erhielten, war sie Anfang dieses Monats von Oberbürgermeister Thomas Nitzsche zur traditionellen Einbürgerungsfeier ins Rathaus eingeladen worden.

„Lern du erst mal ‘ne zweite Sprache“

Doch gibt Lisa Sprague im Zeitungsgespräch zu bedenken, dass sie gar nicht die typische Britin sei. Ihre britische Staatsbürgerschaft hat sie in die Wiege gelegt bekommen wegen ihres Vaters, der in Irland geboren ist, aber englische Eltern hat. Ihre Mutter – amerikanische Staatsbürgerin – hat eine französische Mutter und einen italienischen Vater. Und: Weil die Eltern in den Sechzigerjahren wegen Vaters Arbeit den Wohnsitz von Amerika nach Deutschland verlegten, kam Lisa Sprague in Marburg zur Welt – und mit drei Jahren in einen deutschen Kindergarten, wo sie rasch ihre ersten deutschen Schimpfwörter gelernt habe, sagt Lisa Sprague und lacht. Nicht einmal einen Hauch anderen muttersprachlichen Akzents lässt ihr lupenreines Deutsch erkennen. Nach -zig Jahren in Deutschland, Studium in München inklusive, scheint das folgerichtig.

Überhaupt vermag Lisa ­Sprague hinreißend zu erzählen aus ihrem viersprachigen Kosmos: etwa dass Italienisch ihre Muttersprache ist und ihr Französisch eher von der Großmutter herrühre. Dabei sei sie weit davon entfernt, Französisch fließend zu sprechen. „In Frankreich wird mir gesagt: ,Du hast einen italienischen Akzent‘.“ Wenn sie gestresst sei, helfe der Wechsel in eine zweite Sprache dem Gehirn, sich zu erholen. Ihr Italienisch sei zum Beispiel nichts für ihren Arbeitsmodus. Oder: Ihren Sohn (9) habe sie in der Schule zum Französisch als Zweitsprache hingelenkt, weil er sich im Englischen nicht so anstrengen müsse.

Bewundernswert findet Lisa Sprague es indessen immer wieder, wenn neue Mitbürger innerhalb kurzer Zeit schon gut Deutsch sprechen. Umso mehr ärgere sie sich über Sprüche gegenüber Zugewanderten à la „Lern‘ erst mal Deutsch“. „Darauf möchte ich dann sagen: Lern‘ du erst mal ‘ne zweite Sprache.“

Wie beschreibt Lisa Sprague etwas genauer die Gründe dafür, dass sie die deutsche und somit zweite Staatsbürgerschaft erwarb? – Auf die Nachricht vom beschlossenen Brexit habe sie zuerst gedacht, dass das doch nicht wahr sein könne. „Und dann kam die Unsicherheit“, sagt sie. Ihr sei es bang geworden um die europäische Freizügigkeit. „Das ist doch ein Luxus, den man da hat, Ich kann hier arbeiten; das ist doch das Tolle.“

Und wie würde sie anderen Menschen ihr Brexit-geschütteltes Großbritannien erklären? Im Moment herrschten dort „anscheinend nur noch Emotionen“ vor, sagt Lisa Sprague. Gebrodelt habe es wegen der „Insel-Haltung“ aber immer schon. Und: „Das Empire spukt in den Köpfen der Menschen.“ Ein Zaubermittel, wie der gordische Brexit-Knoten zu zerschlagen sei, hat freilich auch Lisa Sprague nicht parat. Die vielen Verzahnungen seien den meisten Leuten nicht bewusst.

Gewiss, die EU in ihren verknöcherten Strukturen müsse reformiert werden, sagt Lisa Sprague. „Die Idee selber ist aber gut.“ Der Belebung halber müsse man jungen Leuten eine Chance geben. „Wenn man sich reibt, geht es weiter.“

Wie es mit Jena weitergegangen ist, seit ihre Familie vor 13 Jahren in der Stadt anlandete? Im Vergleich sei die Stadt damals etwas „monochromatisch“ gewesen. „Es ist aber schön zu sehen, wie sie immer bunter wird.“

Auch schön: Lisa Sprague ist begeistert von regionalsprachlichen Besonderheiten, die ihr in der neuen Heimat begegneten. Eines ihrer beispielhaften Sprachschätzchen, das doch selbstredend sei: kräplig.