Weimar/Apolda. Am Donnerstag ist Welthundetag. Die Bedeutung des einstigen Arbeitstiers hat sich im vergangenen Jahrhundert gravierend verändert.

Es mag jeden Hundebesitzer erschüttern, ist aber ein historischer Fakt: Noch bis ins Jahr 1986 wurde auch der Hund nach dem deutschen Fleischbeschaugesetz als Schlachttier definiert. Und tatsächlich ist 1985 in Augsburg der letzte Hund „geschlachtet“ worden. Es ist erst 33 Jahre her, dass in Deutschland die Gewinnung von Fleisch von Caniden, also Hunden und Hundeartigen, tatsächlich verboten ist. Die Bedeutung des Hundes für den Menschen hat sich im vergangenen Jahrhundert radikal verändert, nimmt aber mittlerweile auch fragwürdige Züge an. Hundezucht setzt hierzulande erst Ende des 19. Jahrhunderts ein.

Davor, so erklärt Thomas Kümmel, Hundetrainer aus Weimar, hat die Zucht kein System und passiert ohne Papiere. Es war die Zeit der Mischlings- und Arbeitshunde. Gekreuzt wurde in Hinsicht auf die Verwendung der Tiere als Jagd-, Hüte- oder Wachhunde. Nach 1880 entstanden die ersten Zuchtvereine, und der Hund wurde nach einem bestimmten Phänotyp, also nach physiologischen Eigenschaften und Verhaltensmerkmalen, gezüchtet. Karl Friedrich Louis Dobermann (1834-1894) aus Apolda beispielsweise, von Berufswegen Abdecker, Steuereintreiber, Hundefänger und Nachtpolizist, brauchte für seine Tätigkeit einen scharfen Gebrauchshund zum Personenschutz.

Er beschäftigte sich deshalb mit Hundezüchtungen und legte letztlich den Grundstein für die Zucht des später nach ihm benannten Dobermanns. In jenen Jahren entstehen die Boxer, die Rottweiler, die Schäferhunde, kurzum: Arbeitstiere mit spezifischen Aufgaben.

„Die Hunde lebten draußen in Zwingern oder Hütten. Und sie wurde natürlich ernährt, bekamen Fleisch, Essensreste oder die Überreste von einer Jagd“, erzählt Thomas Kümmel, der von sehr robusten Tieren spricht, die trotz ihrer Arbeit mitunter zwischen 18 und 20 Jahren alt wurden. Sicherlich gab es auch Tollwut- oder Staupe-Epidemien, da keine Impfungen für Hunde auf dem Markt waren und Tierärzte vornehmlich die viel lukrativeren Großtiere behandelten.

Der Hund gibt bedingungslose Liebe

„Auch das Verhältnis zum Hund war ein grundlegend anderes als heute“, erklärt Thomas Kümmel, der vor 30 Jahren die erste Hundeschule Thüringens eröffnete und seit 1971 mit Hunden zusammenarbeitet. „Zu 90 Prozent wurden sie als Arbeitstiere gehalten, nur zehn Prozent galten als Luxushunde.“

Nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Wende hat sich sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland das Verhältnis zu den Vierbeinern nicht maßgeblich verschoben. Der Hund hatte bei seinem Halter zumeist eine Aufgabe zu erfüllen.

Doch ab dem Jahr 1990 wandelte sich die Bedeutung der Vierbeiner gewaltig, und der Hund fungiert neuerdings als Seelentröster. Die emotionale Bindung verändert sich grundlegend, was als Konsequenz dazu führt, dass der Hund auch als Verdienstquelle entdeckt wird. Es entsteht eine gigantische Futtermittelindustrie.

Auch Spezial- und Denkspielzeuge werden in Hülle und Fülle und allen Formen angeboten. Tierarztkosten gehen für den Besitzer mitunter in die tausende Euro.

Außerdem eröffnen Hundepensionen und -schulen mit teil skurrilen Zügen. „Die Menschen verlieren immer mehr die Distanz zu ihrem Hund“, kritisiert Experte Kümmel. „Auf jede Regung des Tieres wird eingegangen. Man kann von einer Übervorsorge sprechen, von einer Überfrachtung mit Liebe. Selbst Fehlverhalten des Tieres wird toleriert – der Hund hat den Menschen fest im Griff.“

Mittlerweile sind nur rund 20 Prozent der Hunde noch Arbeitstiere.

Der Rest fungiert als Seelentröster und Partnerersatz für seine Besitzer, füllt das Tier doch aus, was man sich von seinen nahen Mitmenschen wünscht: Bedingungslose Liebe, Treue, Freude und Ehrlichkeit.

Doch die Vermenschlichung hat eine Kehrseite: Es gibt immer mehr neurotische Hunde und es gibt auch immer mehr Hundehasser, die mittels Giftköder ihren Frust herauslassen. „Das Grundprinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme wird vernachlässigt“, kritisiert der Weimarer Hundetrainer und appelliert zum heutigen Ehrentag der Vierbeiner an die Hundebesitzer, ihre Tiere nicht an Menschen hochspringen zu lassen, sowie die Hinterlassenschaften tatsächlich wegzuräumen.