Jena. Vom Leid der Opfer und den Lehren für die Gegenwart.

Es ging nicht allein darum, an den schweren Bombenangriff auf Jena im März 1945 zu erinnern: OB Thomas Nitzsche (FDP) stellte den Menschen als Leidtragenden in den Mittelpunkt seiner Rede. Denken und Handeln müssten von diesem Bewusstsein geprägt sein, wenn man zum Beispiel über Rüstungsexporte in Krisengebiete diskutiere, sagte er am Dienstag vor der Gedenkstele in der Rathausgasse.

Nitzsche hob vor allem das Schicksal der Familie Neuenhahn hervor: Die gleichnamige Druckerei wurde getroffen, Fritz Neuenhahn kam ebenso im Keller um wie Gustav Neuenhahn, dessen Frau Doris, die drei Töchter Traude, Brigitte und Guda sowie Enkel Jens-Peter.

Im Jahr 2005 erinnerte sich Tochter Hannelore Neuenhahn in unserer Zeitung an die Tragödie: Ihr Vater Fritz war damals Prokurist der Firma, die den Jenaern bekannt war durch die hier herausgegebene Jenaische Zeitung, eine der ältesten Deutschlands. Am 17. März besuchte sie zum ersten Mal die Südschule. Als das Südwerk an der Tatzendpromenade angegriffen wurde, waren die Schüler schon in Sicherheit im Knebelbunker. Wegen der Gefahr eines erneuten Angriffes fuhr sie am 19. März nicht nach Jena. Fünf Minuten vor dem Angriff hatte ihr Vater von der Druckerei aus mit ihrer Mutter in Camburg telefoniert. „Ich muss jetzt Schluss machen, es kommt ein Verband geflogen.“ Das waren seine letzten Worte. Dieser Bericht sagt sehr viel über die Macht der Zerstörung durch die Kriegsbomben, die Ohnmacht der Menschen, die einem solchen Angriff ausgeliefert sind, und das persönliche, individuelle Leid eines betroffenen Menschen, das in diesen Stunden des Angriffs über ihn kam und ihn nie mehr verlassen wird“, sagte der OB.

Am 19. März 1945 flog die US Air Force den größten Einzelangriff auf Jena. Innerhalb von 20 Minuten legten 197 Bomber der 3. Luftdivision der 8. USAF einen großen Teil der Altstadt in Schutt und Asche. Ziel war das Hauptwerk von Carl Zeiss, doch die Masse der Bomben verfehlte das Werk und traf das etwa 250 Meter ost-nordöstlich davon gelegene Areal zwischen Fürstengraben und Holzmarkt. Allein diesem Angriff fielen 236 Menschen zum Opfer, 100 wurden schwer und 150 weitere leicht verletzt. „Damit kam der Krieg, der von Deutschland ausging, auch hierher zurück“, ist auf der Gedenkstele für die Opfer zu lesen.

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