Berlin. Arbeiten Sie viel? Vielleicht mehr als andere? Wenn Sie wissen wollen, wo Sie im Vergleich zu den Deutschen stehen, hilft dieses Tool.

Während die einen die üblichen acht Stunden im Büro verbringen, arbeiten andere nur sechs Stunden am Tag. "Nine-to-Three" statt "Nine-to-Five". Die Menschen wollen mehr von ihrer Zeit, als nur zu arbeiten, das traditionelle Modell der 40-Stunden-Woche steht auf dem Prüfstand. Unternehmen testen neue, flexiblere Modelle wie die Vier-Tage-Woche oder die 30-Stunden-Woche.

Doch die neuen Modelle werden den Fachkräftemangel in Deutschland nicht lösen, meinen Ökonomen. Mit einem interaktiven Tool können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jetzt herausfinden, wie viel sie im Vergleich zu anderen Deutschen arbeiten.

Deutschland gehen die Fachkräfte aus

Aktuelle Umfrageergebnisse machen deutlich: Die Deutschen wollen weniger arbeiten – auch wenn sie dafür auf Gehalt verzichten müssen. Fast 70 Prozent der Babyboomer wollen früher in Rente gehen – spätestens mit 64 Jahren, so eine repräsentative Studie der Bergischen Universität Wuppertal.

Das Problem: Der Fachkräftemangel in Deutschland ist hoch. Unternehmen aller Branchen klagen über akute Personalengpässe. Fast 540.000 Stellen können derzeit regelmäßig nicht besetzt werden. Das hat eine aktuelle Auswertung von Arbeitsmarktdaten des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ergeben.

Und: Es kommen nicht genügend junge Erwachsene nach, um die Fachkräftelücke zu schließen. Laut IW stehen den 9 Millionen Erwerbstätigen, die bis 2030 aus dem Erwerbsleben ausscheiden, nur 6 Millionen Menschen gegenüber, die sie ersetzen.

Teilzeit, Vollzeit oder Schichtarbeit: Arbeitszeiten im Vergleich

Der Ökonom Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat in einer Studie die Wochenarbeitszeiten verschiedener Bevölkerungsgruppen verglichen und in einem interaktiven Rechner des IW Köln zusammengestellt. Über einen Schieberegler können Interessierte ihre eigene Arbeitszeit einstellen und mit verschiedenen Personengruppen nach Einkommen, Familienstand oder Geschlecht vergleichen.

Die Daten für die IW-Studie stammen aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP), für das jährlich rund 30.000 Personen befragt werden. Berücksichtigt wurden die tatsächlich geleisteten Wochenarbeitsstunden inklusive Überstunden. Ein-Euro-Jobber, Arbeitslose, Rentner, Hausfrauen und andere nicht am Arbeitsmarkt aktive Personen sind in den Werten nicht enthalten.

Wirtschaftsvertreter fordern längere Arbeitszeiten

Solange es nicht genügend Erwerbstätige gibt, um die anstehenden Aufgaben im deutschen Wirtschaftssystem zu bewältigen, müssen die Babyboomer und alle anderen Arbeitnehmer mehr leisten. Dafür brauchen sie mehr Arbeitsstunden pro Woche, mehr Vollzeit- statt Teilzeitstellen, so die Theorie einiger Politiker und Wirtschaftsvertreter. Sie plädieren dafür, die allgemeine Wochenarbeitszeit auf 42 Stunden zu erhöhen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.

Der Ökonom Schäfer sieht vor allem Potenzial bei den Frauen, deren Teilzeitquote sich in den vergangenen Jahren verdoppelt hat. Nur 27 Prozent der Frauen mit Kindern unter 14 Jahren arbeiten mehr als 30 Stunden pro Woche. "Angesichts des besonders niedrigen Anteils von langen Wochenarbeitszeiten bei Frauen mit Kindern erscheint der Ausbau der Betreuungsinfrastruktur naheliegend", schreibt Schäfer. Von besonderer Bedeutung dürfte auch der "(Wieder-)Einstieg in Vollzeit nach einer kinderbedingten Teilzeitphase oder Erwerbsunterbrechung" sein.

Raum für Verbesserungen sieht Schäfer auch bei Menschen ohne Berufsausbildung und bei Älteren. 40 Prozent der Menschen ohne Berufsabschluss sind nicht erwerbstätig. Zum Vergleich: Über 80 Prozent der Beschäftigten mit Berufsabschluss arbeiten mehr als 30 Stunden pro Woche. Auch viele über 60-Jährige arbeiten vergleichsweise wenig: Rund 44 Prozent von ihnen arbeiten maximal 30 Stunden pro Woche. Sie gilt es in den Arbeitsmarkt zu integrieren.