Erfurt. Jedes Jahr registriert die Thüringer Polizei zahlreiche mutmaßliche Straftaten gegen sexuelle Selbstbestimmung. Warum wird nur ein kleiner Teil der Verdächtigen verurteilt?

Nur wenige Anzeigen wegen einer mutmaßlichen Sexualstraftat führen in Thüringen zu einer Verurteilung der Beschuldigten – auch dann, wenn die Polizei eine solche Straftat als aufgeklärt betrachtet.

Werden pro Jahr zwischen 1400 und 1800 Fälle von sogenannten Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung registriert, so werden jährlich deutlich weniger als 300 Verurteilungen gezählt, wie aus einer Auswertung des Landesjustizministeriums für die Deutsche Presse-Agentur hervorgeht. Die Polizei gibt ihre Aufklärungsquote mit etwa 85 und 89 Prozent an und präsentiert jährlich etwa 1100 bis 1300 Tatverdächtige.

Ein Sprecher des Justizministeriums sagte, die Gründe dafür, dass es gemessen an der Zahl der Anzeigen nur wenige Verurteilungen gebe, seien vielfältig. In vielen Ermittlungsverfahren ließen sich die mutmaßlichen Taten aus staatsanwaltschaftlicher Sicht nicht nachweisen – oder es lägen keine ausreichenden Beweise gegen die mutmaßlichen Täter vor.

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So würden in solchen Verfahren regelmäßig die Aussagen der Opfer gegen die Aussagen der Beschuldigten stehen. Weitere Beweismittel seien oft nicht vorhanden, die es aber brauche, um einen eindeutigen Tatnachweis führen zu können. Auch seien die Aussagen der Opfer oft widersprüchlich oder sie würden im Laufe der Ermittlungen gänzlich widerrufen. Nicht selten machten die Opfer zudem nach einer ersten Aussage bei der Polizei oder den Staatsanwaltschaften später keine Angaben mehr.

Aufklärung und Ermutigung notwendig

Thüringens Justizminister Dirk Adams (Grüne) mahnte, um derartige Straftaten konsequent und effektiv verfolgen zu können, müssten die Ermittlungsbehörden eng zusammenarbeiten. «Aus der kriminologischen Forschung ist bekannt, dass die Entdeckungswahrscheinlichkeit potenzielle Täter abschreckt, nicht die abstrakte Strafandrohung.

»Zudem brauche man niederschwellige Angebote, an die sich Betroffene, aber auch mögliche Zeugen wenden könnten, um Verdachtsfälle zu melden. «Es ist mehr Aufklärung und Ermutigung notwendig, das Schweigen um solche Taten zu brechen», sagte er. Deshalb würden die Justizministerinnen und -minister der Grünen in Deutschland auch auf eine gesonderte Erfassung von frauenfeindlichen Straftaten drängen.