Saalfeld/Gräfenthal. Beim 12. Thüringer Schülerfreiwilligentag schnupperten Kinder und Jugendliche in verschiedene Berufsfelder

Den Tag inmitten aufgedrehter Kleinkinder zu verbringen oder mit alten und womöglich pflegebedürftigen Menschen zusammenzuarbeiten, kann nicht jeder. Es muss auch nicht jeder können.

Um aber herauszufinden, was einem liegt, und auch, was nicht, gibt es den Thüringer Schülerfreiwilligentag. Am Donnerstag fand er nach 2008 zum zwölften Mal statt. Sein Prinzip: Schüler verschiedener Schulformen und Klassenstufen hospitieren für einige Stunden oder einen ganzen Tag in einer Einrichtung ihrer Wahl, wobei der Schwerpunkt im sozialen und ehrenamtlichen Bereich liegt.

Thüringenweit nahmen 5000 Schüler aus über 100 Schulen in rund 400 Einsatzstellen teil. Im Landkreis sind es gut 70 Schüler gewesen. Lokale Freiwilligenagenturen, Wohlfahrtsverbände und Ehrenamtsbeauftragte koordinieren die Einsätze vor Ort.

Der Großteil der 19 Einsatzorte liegt zwar in der Kreisstadt, doch auch in Gräfenthal und Kamsdorf probierten sich die Kinder und Jugendlichen aus. Das Awo-Seniorenheim „Am Schlossberg“ in Gräfenthal unterhält schon seit 2009 eine klassenstufenübergreifende Kooperation mit der örtlichen Regelschule. Regelmäßig besuchen Schüler die betagten Bewohner. Das Haus und einige der Senioren waren den 15 Mädchen und Jungen der 6. Klasse, die an diesem Vormittag vorbeischauten, also schon vertraut – und umgekehrt.

Auf dem Plan standen Brett- und Kartenspiele sowie eine Runde Bingo. „Die anfänglichen Unsicherheiten der Schüler waren rasch verflogen“, sagt Sharon Viller, sozialpädagogische Schulunterstützerin an der Regelschule. In Gräfenthal wurde der Schülerfreiwilligentag in Kooperation mit dem Bildungszentrum Saalfeld im Rahmen des Projektes „NoA – Nicht ohne Abschluss!“ organisiert.

Marvin Amm aus Probstzella, zwölf Jahre alt, kommt gern an den Schlossberg, aber beruflich in die Pflege zu gehen, könne er sich dann doch nicht so richtig vorstellen. „Aber etwas mit alten Menschen zu machen, bestimmt“, sagt er. Marvin schätzt die Spiele und Gespräche mit ihnen. Der gleichaltrige Felix aus Gebersdorf hingegen hat ganz andere Pläne: „Die Schauspielerei reizt mich“, verrät er. Schon mehrfach habe er in einer Revue mitgewirkt. Er und seine Mitschüler haben morgens in der Schule extra Marmorküchlein für die Bewohner gebacken. Hausleiterin Marion Kuschminder begrüßt die Partnerschaft auch aus ganz pragmatischen Gründen. „Wir hatten schon zwei Azubis von der Regelschule bei uns“, sagt sie.

Mit Touri-Augen den Stadtrundgang getestet

Saalfeld, direkt am Markt: In der Tourist-Info lässt sich Paul Röhner, 14 Jahre und Schüler der 9. Klasse am Erasmus-Reinhold-Gymnasium (ERG), mit einer Mitschülerin von Mitarbeiterin Tina Findeiß in die Tiefen der diversen Buchungssysteme für Veranstaltungen und Übernachtungen einweihen.

Paul entschied sich für die Tourist-Info, weil es „noch das Interessanteste unter all den Angeboten war.“ Findeiß stellte den Schülern unter anderem das Portfolio der Tourist-Info vor. Gefallen hat es den beiden trotzdem, vor allem der Stadtrundgang. „Wir sind mit einem Stadtplan den Historischen Stadtrundgang für Touristen abgelaufen und haben geschaut, ob alles in Ordnung ist“, erklärt Paul. Fehlte irgendwo ein Schild oder war zugewachsen, vermerkten sie es. „So habe ich auch Ecken entdeckt, die ich noch gar nicht kannte.“

Doch nicht für alle Einsatzstellen waren auch genügend Schüler da. Der Diakonieladen „Geben und Nehmen“ in der Brudergasse etwa musste ohne auskommen. „Die Organisatoren haben uns abgesagt - zu wenige Anmeldungen“, sagt Leiterin Renate Streitz. Das sei schade, gerne hätte sie Schüler bei sich gehabt. Aus gleichem Grund mussten das DRK-Altenheim in der Hannostraße, die Freiwillige Feuerwehr sowie die Gemeinschaftsunterkunft des Landkreises in Beulwitz passen.

Für Saalfeld koordinierte Gretel Marksteiner vom Freiwilligenzentrum der Caritas den Tag. „Tatsächlich hatten wir dieses Jahr mit 55 Schülern beider Saalfelder Gymnasien 25 Schüler weniger als noch 2018“, sagt sie. „Leider konnten die Plätze somit nicht vollständig belegt werden. Es ist das erste Jahr, in dem wir Einsatzstellen absagen mussten.“

Als Grund nennt sie die Zusammenlegung von drei 8. Klassen zu zwei 9. Klassen im ERG, sowie andere Projekte, die zeitgleich im Böll-Gymnasium stattfanden. Ein positives Resümee fällt sie dennoch: „Uns gelang es, viele neue Einsatzstellen in unterschiedlichen Bereichen zu gewinnen, denn die Jugendlichen sollen sich ja ein möglichst breitgefächertes Bild davon machen können, wo überall es Chancen gibt, sich zu engagieren.“ Im Waldkindergarten „Inselkinder“ des Roten Kreuzes sei jüngst sogar eine Art Idealfall eingetreten. „Dort fängt eine Schülerin bald ein Praktikum an – motiviert durch den Freiwilligentag.“

Auf Stippvisite in der Krabbelgruppe

Für einen Kindergarten entschieden sich auch Theresa Jakusch und Chantal Lautenschläger aus Saalfeld. Die Mädchen vom ERG teilten einen Tag lang den Erzieherinnenalltag in der DRK-Kita „Pusteblume“, inklusive Krabbelgruppe – beim Ankleiden helfen, bei den Mahlzeiten dabei sein, aufpassen und immer auf alles um einen herum ein Auge haben. Die anfängliche Schüchternheit auf beiden Seiten sei beim Fangen und Verstecken-Spiel verflogen, sagt Einrichtungsleiterin Doris Wolfram. „Ich hätte aber gedacht, die Kinder sind schüchterner“, sagt Theresa, die noch keine genaue Vorstellung hat, was genau sie einmal arbeiten will und deswegen so viele Erfahrungen wie möglich sammeln möchte.

Bei einer Berufsorientierung im Bildungszentrum sei ihr die Landschaftsarchitektur als mögliche Profession empfohlen worden, „aber das schien mir dann doch nicht das Ideale zu sein. Und Erzieherin? Das werde sich zeigen müssen. „Es ist ein anspruchsvoller Job, der weit mehr umfasst, als bloß die ganze Zeit mit den Kindern zu spielen“, nennt Doris Wolfram ein Klischee, das über den Beruf existiere. Mit Theresa und Chantal war sie sehr zufrieden. Chantal beeindruckte die Entspannungsübung zur Mittagspause. „Ich hätte nie gedacht, dass die Kleinen so schnell runterkommen“, sagt sie.

Im evangelischen Kindergarten „Haus Kunterbunt“ verbrachten Neele und Marcel, ebenfalls vom Gymnasium Gorndorf ihren Freiwilligentag. Sie ziehen ein ganz anderes, aber eindeutiges Fazit. „Ich könnte es nicht, es wäre mir zu anstrengend“, bekennt Marcel. Bundespolizei oder -wehr, das wäre eher was für ihn, glaubt er. Gefallen hat ihm das Bälle-Kicken mit den Knirpsen dennoch.

Hauschefin Angela Oßwald ist froh über so viel Ehrlichkeit und Selbstreflexion, und auch sie war mit ihren zwei jungen Besuchern zufrieden. Ihre Meinung: „Zu wissen, was man nicht will, ist auch viel wert.“