Kamsdorf. Bauhaus, Spielelandschaft, Kunstaktion: Astrid und Gerhard Pautzke bleiben als Motor des Kamsdorfer Fördervereins unermüdlich

Eigentlich hatten sie schon 2017 ihre letzte Ausstellung verkündet, der Kunstraum unterm Kamsdorfer Gemeindesaal liegt seither verwaist, und mit fast 80 Jahren könnten sie sich dem mehr oder minder süßen Müßiggang des Alters hingeben. Doch bei Astrid und Gerhard Pautzke funktioniert das nicht. Die Kunst lässt sie nicht los – und umgekehrt.

An den Wänden des dachhohen Wohnzimmers leuchten großformatige Malereien. Reiseeindrücke, die Astrid Pautzke vom realistischen Abbild auf bisweilen bloße Struktur oder Farb-Erinnerung reduziert. Ein Sujet von ihrer letzten Reise durch Anatolien sollte das nächste Bild werden, doch die ehemalige Kunstlehrerin kommt einfach nicht dazu: Zu viel anderes gibt es zu tun.

Da ist zunächst die Ausstellung über Alfred und Gertrud Arndt, die Bauhaus-Künstler, die über insgesamt 15 Jahre in Probstzella lebten und mit dem „Haus des Volkes“ dort im Auftrag des Unternehmers Franz Itting eines der herausragenden Beispiele von Architektur, Formengeist und Nutzenorientierung des Bauhauses errichteten und ausstatteten.

Die Exposition gibt es quasi zweimal – seit einigen Wochen ist sie in den Räumen des Bürgerradios SRB in Saalfeld zu bestaunen, zugleich jedoch zieren die Fotografien, Zeichnungen und Texttafeln auch Atelier und Kunstraum im Erdgeschoss von Pautzkes Haus in der Kamsdorfer Fichtestraße. Für die Abbildungen hat Astrid Pautzke vor allem Kataloge anderer Arndt-Ausstellungen herangezogen und bewusst nach Zeugnissen von Gertrud Arndt gesucht. Auch um einen kleinen Schatten im Bauhaus-Glanz auszuleuchten: dessen Festhalten an überlieferten Geschlechter-Zuweisungen unterm Banner des ästhetischen Fortschritts.

Gertrud Arndt hatte nämlich wie ihr Mann ebenfalls Architektur studieren wollen, wurde aber von den Großmeistern wie Walter Gropius lediglich der Weberei für würdig befunden. Dass im „Haus des Volkes“ von Probstzella auch viele ihrer Ideen stecken, gilt als ziemlich sicher – belegt ist es kaum. Umso mehr freut es Astrid Pautzke, auch ein paar fotografische Kunstwerke Gertrud Arndts als Reproduktionen zu zeigen, radikal eigenwillige Selbstporträts in präzise inszenierter Verfremdung. Und ein paar Musterstücke Fußbodenbelag, die ein großer deutscher Hersteller 1994 nach Vorlage gewebter Teppiche von Arndt und anderen Bauhaus-Frauen herstellte.

An Teppiche und Lichtbildkunst von Gertrud Arndt knüpfen zwei Projekte an, die Pautzkes bzw. der Förderverein Kunst in Kamsdorf als Träger entwickelt haben. Bereits gestartet ist die Vorbereitung auf „Weben wie Gertrud Arndt“, eine Werkstattreihe an der Awo-Schule in Rudolstadt-Schwarza, wo Schüler unter Anleitung der Textilkünstlerin Cornelia Möller (Altengesees) im Juni über mehrere Tage an ihren eigenen Wandteppich-Entwürfen arbeiten werden.

„Wir können Kunst“ im Kindergarten

Dem folgt irgendwann im zweiten Halbjahr ein Workshop für Jugendliche und Erwachsene, die ähnlich wie Gertrud Arndt ein etwas anderes Selbstbild schaffen wollen. Franziska Burkhardt, Bauhaus-Studentin aus Saalfeld, will dabei die Teilnehmer ermuntern, über das bloße Auswählen von Bildverfremdungen im Smartphone hinauszugehen; Wünsche, Sehnsüchte oder Ängste auch damit auszudrücken, dass man die Normalsicht durch Verkleidung oder Utensilien in Frage stellt.

Pautzkes Unruhestand reduziert sich trotz Jubiläumsjahr aber nicht auf das Bauhaus und seine Nachbeben. „Der Förderverein wurde gegründet, um zwei Ziele zu verfolgen: Die Kunst zu den Menschen aufs Land zu bringen und Künstler aus der Region zu fördern“, erklärt Gerhard Pautzke. Nachdem der öffentliche Kunstraum, baulich bedingt und wegen über die Jahre nachlassenden Interesses bei gleichzeitig hohem Aufwand, als Ausstellungspodium nicht mehr von ihnen bespielt wird, hat sich der Schwerpunkt auf die Künstlerförderung verlagert.

Ein Beispiel findet buchstäblich um die Ecke statt. Innerhalb des Kindergartenprojekts „Wir können Kunst“ des Bundesverbands Bildender Kunst (BBK) haben sich Kunstfreunde, Kindergarten-Förderverein und der KSV Knauer Kamsdorf zum „lokalen Bündnis für Bildung“ verbandelt und so vom BKK den Zuschlag erhalten für ein Stück Kinder-Kunst am Bau: Unter Anleitung von Bildhauerin Sylvia Bohlen aus Weischwitz gestalten zehn Mädchen und Jungen im Außengelände des Kamsdorfer Kindergartens eine neue Spiele-Landschaft, entwerfen Häuser, Bäume, Tiere, graben das Gelände um, haben dieser Tage die ersten Tierfiguren aus Ton geformt, die nun im Brennofen des Kindergartens zu dauerhaften Kunstwerken werden. Die, so die Idee von Sylvia Bohlen, nicht starr verankert werden, sondern in Bewegung bleiben sollen nach Lust und Laune der Kinder. Und nach Bedarf Ergänzung finden durch weitere Figuren, als deren Rohstoff-Lager eigens eine Grube mit Ton gefüllt wird. Ende Juni soll die laut Konzept „aktive Landschaft als Spiel- und Gestaltungsort“ fertig sein und eingeweiht werden.

Muße fürs eigene Bild wird Astrid Pautzke danach wohl trotzdem nur eingeschränkt finden. Denn schon bereitet das Paar das nächste Projekt vor, das innerhalb der bundesweiten Kunstaktion „Zeitgleich – Zeitzeichen“ hiesige Akteure mit neuen Werken zum Thema Digitalisierung im ehemaligen Saalfelder Inko-Kaufhaus versammeln soll. Doch diese Geschichte kann noch ein wenig warten.