Tokio. Sommer in Tokio können besonders heiß und schwül werden. Die Metropole reagiert mit Technik und Infrastruktur. Ein Vorbild für andere?

Eben stand ich noch drinnen, in Sicherheit. Aber jetzt, an der Türschwelle nach draußen, wird mir mulmig. Ein Blick zum Himmel zeigt: keine Wolke. Ein Scan über auf den Gehweg – die Anzugträger haben ihre Sakkos ausgezogen und tragen kurzärmelige Hemden. Es sind die besten Indizien dafür, dass es schon wieder brütend heiß ist. Die vergangenen Wochen ging es gerade noch, die japanische Hauptstadt kratzte an den 30 Grad Celsius. Ich bin aufs Schlimmste gefasst.

Gegen die Hitze: Tokio setzt auf Sprühregen an Haltestellen

Wenn in Tokio der Sommer durchbricht, wird die japanische Hauptstadt fast unerträglich. Im Juli und August, den heißesten Monaten des Kalenders, liegt die Durchschnittstemperatur bei über 30 Grad. Aber was das Draußensein so unangenehm macht: die enorme Luftfeuchtigkeit von über 80 Prozent, Anfang August sogar etwas mehr als 90 Prozent. Man schwitzt dann vom Nichtstun. In weiter westlich gelegenen Großstädten wie Kyoto und Hiroshima ist es noch etwas schweißtreibender. Aber für einen Europäer reicht Tokio für eine Extremerfahrung aus.

Dabei wäre Tokio nicht Tokio, wenn sich die Regierung nicht schon eine Lösung ausgedacht hätte. Man findet sie zum Beispiel an Bushaltestellen, die im Sommer kurzerhand zu Duschen werden. Feiner Sprühregen, beinahe Wasserstaub, fällt von Haltestellendächern herunter. Der Multikonzern Panasonic, einer der Hersteller solcher Anlagen, beschreibt das Bewässerungsergebnis als „seidig-feinen Nebel“. Tatsächlich: Durchnässt fühlt man sich dadurch nicht, abgekühlt dagegen schon.

Die „grünen Klimaanlagen“ gibt es überall in Tokio. Sie sind nur eine von mehreren Hitzeschutz-Maßnahmen in der japanischen Hauptstadt.
Die „grünen Klimaanlagen“ gibt es überall in Tokio. Sie sind nur eine von mehreren Hitzeschutz-Maßnahmen in der japanischen Hauptstadt. © picture alliance / Kyodo | picture alliance / Kyodo

Das für diese Maschinen verwendete Wasser kommt aus dem öffentlichen Kanalisationssystem, eingesetzt werden die Anlagen auch entlang diverser Gehwege, auf Bahnstationen und in öffentlichen Parks. Und auch, wenn der Wasserverbrauch dadurch steigt, verteidigt Panasonic das Konzept als „grüne Klimaanlage“. Denn in einer Metropole, die traditionell im Juni eine große Regenzeit erlebt und auch sonst kaum unter Wassermangel leidet, sei es besser, mit Wasser zu kühlen als mit Strom. Und gekühlt werden muss hier dringend.

Olympische Spiele: Athleten klagten über Temperaturen

Wie problematisch die Kombination aus Hitze und Schwüle ist, zeigte sich vor zwei Jahren, als hier die Olympischen Spiele stattfanden. Die besten Athletinnen und Athleten der Welt waren angereist und trotz ihrer Fitness stöhnten sie. Novak Djokovic, damals Weltranglistenerster im Tennis, nannte das Wetter in Tokio „brutal“. Daniil Medwedew, der Zweite der Welt, alarmierte, Athleten „können sterben“ unter diesen Bedingungen. Svetlana Gomboeva, eine russische Bogenschützin, war im Wettkampf jedenfalls zusammengebrochen und musste behandelt werden.

Der deutsche Triathlet Justus Nieschlag war 2021 bei den klimatisch bislang „schlimmsten Olympischen Spielen“ in Tokio dabei.
Der deutsche Triathlet Justus Nieschlag war 2021 bei den klimatisch bislang „schlimmsten Olympischen Spielen“ in Tokio dabei. © dpa | Sebastian Gollnow

Wissenschaftler erklärten Tokio zu den klimatisch „schlimmsten Olympischen Spielen“, die es je gegeben habe. Es war wohl kaum Zufall, dass im Jahr 1964, als die japanische Hauptstadt schon einmal dieses Megaevent veranstaltete, die Wettkämpfe im Oktober stattgefunden hatten. Denn auch wenn die Sommer inmitten des Klimawandels tendenziell heißer werden, leiden die Tokioterinnen und Tokioter im Juli und August schon lange unterm Wetter. Hitzetote werden hier jedes Jahr vermeldet.

Unterirdische Gänge versprechen Abkühlung

„Bitte achten Sie auf Ihren Flüssigkeitshaushalt!“, heißt es auch deshalb regelmäßig in Durchsagen in der U-Bahn. Und die Menschen halten sich dran. An fast jeder Straßenecke steht ein Getränkeautomat, in dem man für meist 150 Yen (rund ein Euro) 500 Milliliter-Flaschen mit isotonischen Drinks, Wasser oder Eistee kaufen kann. Eine weitere Antwort aus der Privatwirtschaft kommt vom Kleidungskonzern Uniqlo: Seit einigen Jahren wird nicht nur die wärmende „Heattech“-Technologie angeboten, sondern auch „AIRism“, das am Körper tatsächlich kühlend wirkt.

Und dann sind da noch diverse unterirdischen Gänge, die oft wie Kombinationen aus U-Bahn-Passagen und langgezogenen Kaufhäusern wirken. Hier ist einem nach wenigen Momenten nicht mehr heiß, dafür aber oft kalt. Das Gegensteuern angesichts der Hitze unter freiem Himmel wird für ein europäisches Körpergefühl nämlich öfter mal übertrieben. Und dann denkt man sich bald, fast fröstelnd in den Katakomben von Tokio, aber mit wenig Lust auf die Hitze da draußen: Der feuchte Nebel unter der nächsten Bushaltestelle ist vielleicht der angenehmste Ort.