Mexiko-Stadt. Englisch wird zur Umgangssprache, die Lebenshaltungskosten explodieren. In Mexikos Hauptstadt regt sich Widerstand gegen Einwanderer.

Wer in Mexiko-Stadt durch die hippen Stadtteile Condesa und Roma läuft, muss schon die Ohren spitzen, wenn er noch Spanisch hören will. Meist sprechen nur noch die Bedienungen in den Cafés und die Verkäufer in den Geschäften die Landessprache. Englisch ist in mehreren Gegenden der 20-Millionen-Metropole mittlerweile die Umgangssprache. Cafés bieten das "Desayuno Yankee", das Yankee-Frühstück, an: Eier mit Speck und Pfannkuchen.

Seit der Pandemie erlebt die mexikanische Hauptstadt einen Boom, trotz Smogs, Kriminalität und der Tatsache, dass Hausbesitzer, Restaurants und Straßenhändler die Kaufkraft der Ausländer nach Kräften ausnutzen. Mit der Folge, dass die Mieten und sonstigen Lebenshaltungskosten in den vergangenen drei Jahren explodiert sind. Auf einem völlig deregulierten Wohnungsmarkt werden mittlerweile Mieten von 2500 bis 4000 Euro für 100-Quadratmeter-Wohnungen aufgerufen. Nicht selten sind diese Apartments dunkel, dreckig und feucht. Aber man kann es ja mal versuchen.

Fußgänger laufen auf dem Zocalo im historischen Zentrum von Mexiko-Stadt.
Fußgänger laufen auf dem Zocalo im historischen Zentrum von Mexiko-Stadt. © ASSOCIATED PRESS | Arnulfo Franco

Mexiko: Familien werden von der Polizei auf die Straße gesetzt

Der Mietspiegel steigt seit Jahren kräftig an. Da Mietverträge immer nur für ein Jahr ausgestellt werden, stellen die Vermieter die einheimischen Mieter zum Jahresende vor die Wahl: entweder eine 300-prozentige Mieterhöhung in Kauf nehmen oder ausziehen. Zudem gehen Tausende der schönsten Wohnungen über die Kurzzeitvermietungsplattformen weg. Darüber hinaus sind legale und illegale Boutique-Hotels aus dem Boden geschossen.

Apropos illegal: Die besonders hässliche Seite der Gentrifizierung ist das, was die Mexikaner "Desalojo" nennen. Alte, baufällige, aber sehr traditionelle Bausubstanz wird von großen Immobilieninvestoren abgerissen, um neue schicke Hochhäuser mit Lofts und Dachgärten zu errichten.

Um sich lange Entmietungsprozesse zu sparen, rücken im Morgengrauen Polizeikommandos an, um die Familien nach Jahrzehnten auf die Straße zu setzen. Im wahren Wortsinn. In bestimmten Stadtteilen haben sich Zeltlager gebildet, wo Familien mit ihren Habseligkeiten leben.

Mexiko City ist bei Auswanderern beliebt

Mexico City hat sich während der Pandemie und vor allem anschließend zum neuen Hotspot der Auswanderer entwickelt. Digitale Nomaden schlagen zu Zehntausenden ihre Zelte hier auf und arbeiten virtuell für ihre Arbeitgeber daheim. Die Regierung hatte selbst zur Hochphase der globalen Covid-Infektionen keine Einreisebeschränkungen verhängt. Mittlerweile stehen das Land und Mexiko-Stadt auf vielen internationalen Rankings ganz oben bei der Beliebtheit der Auswanderer.

Zuletzt hat sich das Expat-Netzwerk Internations lobend geäußert und Mexiko-Stadt auf der Liste der "lebenswertesten Städte für Expats weltweit" auf Platz drei eingeordnet. Nur Dubai und das spanische Valencia schneiden noch besser ab.

Die einheimische Bevölkerung fühlt sich verdrängt

Dabei hat sich die Lebensqualität in Stadt und Land in den vergangenen Jahren nicht gerade verbessert. Neben der Kartell-Gewalt und der allgemeinen Kriminalität, die immer weiter um sich greifen, hat sich der mexikanische Peso in diesem Jahr zur stärksten Währung der Welt entwickelt. Seit Sommer 2020 hat er um 25 Prozent aufgewertet. Das heißt: wer hier in Euro oder Dollar verdient, hat immer weniger Geld im Portemonnaie. Die Inflation ist hingegen im lateinamerikanischen Vergleich moderat und lag zuletzt bei knapp unter sieben Prozent.

Längst fühlt sich die alte einheimische Bevölkerung verdrängt. Aus alten Eisenwarenläden und lokalen kleinen Supermärkten werden Jazz Bars, vegane Restaurants und Fresstempel mit eingeflogenen Chefs aus New York.

Plakate richten sich an Remote-Arbeiter

Viele "Chilangos", wie die Einwohner von Mexiko-Stadt genannt werden, haben inzwischen die Nase voll von dieser "neuen Form des Kolonialismus". Vor Monaten tauchten Plakate auf, die schnell wieder verschwanden. Darauf stand in Englisch: "Neu in der Stadt? Arbeitest Du virtuell? Du bist eine verdammte Plage und die Einheimischen hassen dich verdammt noch mal. Verschwinde."

Dieses Gefühl spiegelte sich in den Hunderten von Reaktionen wider, die ein junger US-Amerikaner provozierte, als er in einem harmlosen Tweet schrieb: "Tun Sie sich selbst einen Gefallen und arbeiten Sie in Mexiko-Stadt – es ist wirklich magisch." "Bitte nicht", lautete eine der freundlicheren Antworten. "Diese Stadt wird jeden Tag teurer, auch wegen Leuten wie dir, und du merkst es nicht einmal oder kümmerst dich nicht darum."