Neapel. Auf Ustica nördlich von Sizilien haben Forscher eine uralte Festung entdeckt. Experten sehen sogar einen Bezug zu Homers Odyssee.

Ustica ist eine kleine vulkanische Insel nördlich von Sizilien. Die 1300 Einwohner der acht Quadratkilometer großen Insel leben überwiegend von der Landwirtschaft. Der fruchtbare Boden wird für den Anbau von Getreide, Oliven, Wein und Zitrusfrüchten genutzt. Weitere Erwerbsquellen sind Fischerei und Tourismus. Täglich verkehren mehrere Fähren zwischen Palermo und Ustica, die Überfahrt dauert zwei bis drei Stunden.

Die italienische Insel ist ein beliebtes Ziel für Taucher. Vor Cala Santa Maria gibt es unter Wasser römische Ruinen und Schiffswracks. Bekannt ist auch ein archäologisches Gelände, das seit Jahrzehnten erforscht wird. Hier ist jetzt eine mehr als 3000 Jahre alte Befestigungsanlage entdeckt worden, die auf den Höhepunkt der Bronzezeit zurückgeht und die Existenz einer größeren Gemeinschaft bezeugt, deren Leben um 1200 v. Chr. durch ein plötzliches Ereignis, dessen Ursprung noch immer rätselhaft ist, abrupt unterbrochen wurde.

Ustica: Mächtige Mauern schützten Jahrtausende alte Siedlung

Die Entdeckung, über die im „Journal of Applied Geophysics“ berichtet wird, ist auf ein Team zurückzuführen, das vom Nationalen Institut für Geophysik und Vulkanologie (INGV) koordiniert wird. Die Befestigung auf Ustica gilt als eine der am besten erhaltenen Mittelmeersiedlungen ihrer Zeit und zeichnete sich durch einen geordneten Stadtplan mit Dutzenden von Hütten aus, die entlang enger Straßen errichtet wurden – sowie durch eine mächtige, 250 Meter lange und vier bis fünf Meter hohe Mauer, die die Siedlung umgab, um sie vor Angriffen und Überfällen zu schützen. Entdeckt wurde die Festung unweit eines durch eine noch erhaltene Wehrmauer geschütztes bronzezeitliches Dorf, das „I Faraglioni“ („Die Klippen“), genannt wird.

Das archäologische Gelände auf Ustica wird seit Jahrzehnten untersucht. Nun haben Forscher mithilfe modernster Technik neue Einblicke in die bronzezeitliche Mittelmeersiedlung erhalten.
Das archäologische Gelände auf Ustica wird seit Jahrzehnten untersucht. Nun haben Forscher mithilfe modernster Technik neue Einblicke in die bronzezeitliche Mittelmeersiedlung erhalten. © INGV | INGV

Die Forschungskampagne, an der Geologen, Geophysiker, Architekten und Archäologen beteiligt waren, erfolgte aus der Notwendigkeit, mit nicht-invasiven Techniken einige halb vergrabene Strukturen zu untersuchen, die außerhalb der Verteidigungsmauer auftauchten. So wurden innovative Instrumente für geophysikalische Forschungen verwendet, wie z. B. Georadar und elektrische Tomographie. Damit war es möglich, die tiefen Fundamente der Vormauer und der Mauer, die als erster Verteidigungswall diente, genau zu untersuchen.

„Das Dorf der Faraglioni entstand zwischen 1400 und 1200 v. Chr. an einem Küstenabschnitt, der im Norden der Insel aus dem Meer ragt“, erklärt Domenico Targia, Direktor des Archäologischen Parks von Himera, Solunto und Iato unter deren Aufsicht auch die Ausgrabungen von Ustica stehen.

Vulkan-Insel Ustica könnte der Insel Kirke aus Homers Odyssee entsprechen

Laut Franco Foresta Martin, Direktor des Museumslabors für Geowissenschaften in Ustica, eröffnet die Entdeckung „ein neues Fenster zum Verständnis dieses antiken Dorfes und deutet auf eine komplexe Verteidigungsanlage hin, die alle Erwartungen übertrifft“.

Die Griechen nannten die Insel Ustica Osteodes („Beinhaus“), da dort Tausende von Meuterern aus Karthago verhungert waren. Seit der römischen Herrschaft heißt die Insel wegen des schwarzen Lavagesteins Ustica (von ustum „verbrannt“). Später stand sie unter der Herrschaft der Araber und der Normannen. Bis in das 18. Jahrhundert war die Insel häufigen Piratenüberfällen ausgesetzt. Die Funde zeigen Parallele zur mittelbronzezeitlichen Siedlungen der Liparischen Inseln (ca. 1450-1270 v. Chr.), die sich ebenfalls nördlich von Sizilien befinden. Historiker versuchten, Episoden von Homers Odyssee auf Ustica zu lokalisieren. So wurde die Schwimmende Insel des Windgottes Aiolos unter anderem mit Ustica gleichgesetzt. Der Historiker Armin Wolf schließt aus den geografischen Beschreibungen und Windrichtungsangaben der Odyssee, dass Ustica Aiaia, der Insel der Kirke, entspricht.