Berlin. Wissenschaftler fanden in Europa die Fossilien des ältesten Waldes der Erde. Der „ziemlich seltsame“ Wald hatte besondere Eigenarten.

Obwohl die Erde rund 4,5 Milliarden Jahre alt ist, wuchsen erst vier Milliarden Jahre später die ersten Pflanzen an Land. Moose bewucherten für den kurzen Zeitraum von 35 Millionen Jahre den Planeten, bevor eine Eiszeit die fragile Pflanzenwelt wieder auslöschte. Bis zur Entstehung der ersten Bäume sollte es noch länger dauern. Von ihrer Geschichte zeugt nun ein beeindruckender Fund: Wissenschaftler haben den wohl ältesten Wald der Erde entdeckt – in England.

Entlang der hohen Sandsteinküsten der südenglischen Grafschaften Devon und Somerset fanden Geologen die Spuren der ältesten Baum-Fossilien der Welt. Um die 390 Millionen Jahre sollen die versteinerten Baumstämme alt sein, fast vier Millionen Jahre älter als die bisher gefundenen Fossilien. Von dem Fund berichten Forscher der Universität Cambridge im Fachmagazin „Journal of the Geological Society“.

Sensationeller Fund: Bäume im ältesten Wald der Erde hatten keine Blätter

Bei den versteinerten Bäumen handelt es sich demnach um die Pflanzenart Calamophyton, die einer Palme ähnelt. Calamophyton gilt als „Prototyp“ vieler späterer Baumarten, heißt es in einem Statement der Universität Cambridge. Der Stamm von Calamophyton bestand jedoch nicht aus solidem Holz, sondern aus mehreren kleinen und hohlen Stämmen, die zwei bis vier Meter hoch waren. Noch ohne Blätter setzte sich die Baumkrone aus Hunderten Zweigen zusammen.

Die zwei bis vier Meter hohen Bäume waren so zahlreich, dass ihre abgestorbenen Überreste zur Umleitung ganzer Flüsse führte.
Die zwei bis vier Meter hohen Bäume waren so zahlreich, dass ihre abgestorbenen Überreste zur Umleitung ganzer Flüsse führte. © Peter Giesen/Chris Berry

Dem Statement zufolge waren die Forscher überrascht davon, so alte Spuren eines prähistorischen Waldes an dieser Stelle der englischen Küste zu finden. Der Wald stammt aus dem Devon, einer Erdepoche, die vor 419 Millionen Jahren mit der großen Expansion des Lebens an Land begann und vor 358 Millionen Jahren mit den ersten Landtieren endete.

„Das Devon änderte das Leben auf der Erde fundamental“, zitiert das Statement den Hauptautoren der Studie Neil Davies, der Professor an der Fakultät für Erdwissenschaften an der Uni Cambridge ist. „Weil Bäume und andere Pflanzen mit ihrem Wurzelsystem die Sedimente stabilisierten, veränderte die Epoche, wie Wasser und Land miteinander interagierten“, erklärt Davies. Trotzdem sei noch wenig über die frühen Wälder bekannt.

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Forscher: „Das war ein ziemlich seltsamer Wald“

Die Region des Fundorts war damals nicht an den Rest Englands angeschlossen, sondern mit Teilen Deutschlands und Belgien verbunden, wo schon ähnliche Entdeckungen aus der Zeit gemacht worden sind. Die Forscher freuen sich bei dem jetzigen Fund besonders darüber, dass die Baumart zum ersten Mal an der Stelle ausgemacht wurde, wo sie auch gewachsen war.

Die Fossilien wurden an einer nur schwer zugänglichen Klippe entdeckt. Forscher mussten sich dem Fundort per Boot nähern.
Die Fossilien wurden an einer nur schwer zugänglichen Klippe entdeckt. Forscher mussten sich dem Fundort per Boot nähern. © Neil Davies

Für ihre Feldarbeit untersuchten die Wissenschaftler einen Küstenabschnitt, der nur mit dem Boot erreichbar war. Hier fanden sie im Sandstein eine Vielzahl an pflanzlichen Fossilien. „Das war ein ziemlich seltsamer Wald – kein Wald wie man ihn heute sehen würde“, sagte Davies. „Es gab keinerlei nennenswertes Unterholz und Gras war noch nicht aufgetaucht, aber die Bäume ließen viele Zweige fallen, die wohl einen großen Einfluss auf die Landschaft hatten.“

Im Devon wuchsen sogar so viele Bäume der Art Calamophyton, dass durch die abgestorbenen Pflanzenreste schließlich ganze Flüsse umgeleitet wurden. Laut Davies seien die Fossilien Beweise für eine der Schlüsselepochen der Erdgeschichte

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