München. Seit 50 Jahren ist Jutta Speidel im Film- und Fernsehgeschäft und zunehmend sauer über das, was Frauen in ihrem Alter dort geboten wird. Zu ihrem 70. schenkt sie sich nun selbst Amaryllis.

Jutta Speidel hat sich selbst zu ihrem 70. Geburtstag ein großes Geschenk gemacht: Gerade hat sie ihren ersten Roman auf den Markt gebracht. „Amaryllis“ heißt er - wie die Blume - und erzählt die Geschichte der Artistin Valerie, die gemeinsam mit ihrer großen Jugendliebe den Durchbruch schafft, dann aber immer mehr in den Hintergrund, hinter die Zirkus-Kulissen, gerät und zunehmend im Schatten ihres Mannes steht.

Es ist sicher kein Zufall, dass Speidel, die seit mehr als fünf Jahrzehnten im Film- und Fernsehgeschäft ist, vor ihrem 70. Geburtstag (26. März) diese Geschichte erzählt. Anfang des Jahres erschien im Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ ein gemeinsames Interview von ihr und ihren Schauspiel-Kolleginnen Michaela May und Gisela Schneeberger, in dem sich die drei Frauen bitter beklagen über die unterirdische Rollenauswahl für Frauen in ihrem Alter.

„Klischee-alte-Frau“

„Ich verstehe einfach nicht, was daran anrüchig sein soll, für Leute über 50 gutes Fernsehen zu machen“, sagte Speidel in dem Interview und beklagte sich, „weil wir inzwischen als Klischee-alte-Frau besetzt werden. Nur dadurch wirken wir austauschbar.“

„Verantwortlich sind die, die Filmförderung machen, die Fernsehredakteure, die Regisseure“, sagte Speidel im SZ-Magazin. „Sie kennen offenbar keine alten Frauen - und wenn doch, dann haben sie ihnen nie richtig zugehört. Das ist Ignoranz. Respektlosigkeit und Ignoranz.“

Speidel kennt das Filmgeschäft. Gerade erst 15 Jahre war sie alt, als sie Ende der 1960er-Jahre ihren ersten Kinofilm drehte: die Schul-Klamotte „Pepe, der Paukerschreck“. Es war eigentlich nur eine Statistenrolle, aber weil Speidel damals direkt hinter „Pepe“ saß, dem berühmten Hansi Kraus, wurde die Filmbranche auf sie aufmerksam - und aus ihr eine richtige Schauspielerin.

In mehr als 150 Film- und Fernsehproduktionen hat Speidel seither mitgespielt, etwa 1979 in Rainer Erlers Thriller „Fleisch“, in „Drei sind einer zuviel“, in der Serie „Alle meine Töchter“ (ab 1995), in „Um Himmels Willen“ mit Fritz Wepper. Sie sei erst begeistert gewesen von der inzwischen abgesetzten Erfolgsserie, sagte sie in dem Interview mit dem SZ-Magazin. „Eine ungeschminkte Nonne! Alle anderen schienen plötzlich geschminkt und sahen aus wie geliftet. Aber dann wurde aus einer Nonnen-Geschichte eine Bürgermeister-Geschichte - mit Nonnen. Was wäre das für ein toller Stoff gewesen, wenn wir nur mal schauen, was Nonnen alles leisten! Aber es ist immer so wahnsinnig wichtig, dass Männer dabei sind.“

„First Dates“ - alles Fake?

2012 drehte sie die Romanze „Wir haben gar kein Auto“ mit ihrem damaligen Lebensgefährten, dem als „Melitta-Mann“ bekannt gewordenen Bruno Maccallini. Inzwischen ist Speidel offiziell solo, suchte sogar kürzlich in der Datingshow „First Dates“ einen Mann - zumindest schien das so. Später sagte sie der „Bild“-Zeitung, das sei alles „fake“, der Mann ein Schauspieler und sie nur dabei gewesen, um auf ihren Verein „Horizont“ aufmerksam zu machen, den sie 1997 gegründet hat und der ihr sehr am Herzen liegt.

Der Verein unterstützt obdachlose Mütter und deren Kinder, wird mit Spenden finanziert und soll, wenn alles gut geht, bald ein drittes Haus bekommen, wie Speidel kurz vor ihrem Geburtstag sagte. Frauen und Kinder bekommen dort Unterkunft und Hilfen, um in ein selbstbestimmtes Leben zurückkehren zu können.

„Ich habe mich mit Ende 40 auf einen völlig neuen Weg begeben. Da waren die Kinder aus dem Haus, ich habe eine zweite Luft gekriegt. Ich hatte noch mal Energie und Zeit und Lust, mehr als mit Mitte 30“, sagte Speidel dem SZ-„Magazin“. „Ich bin Geschäftsfrau geworden und hab inzwischen 56 Angestellte. So eine Geschichte sehe ich nie im Film. Dieser zweite Atem, den viele Frauen kriegen - und zwar nicht, weil ihr Mann sie verlassen hat oder weil er gestorben ist. Sondern einfach aus sich heraus.“