Gera. Wohnen in Häusern aus der Bauhauszeit: Heute Wohnhaus und Arztpraxis Kurt Gröbe

Von Weitem lugt der weiße halbrunde Bau mit den roten Fensterumrandungen durch das satte Grün der Apfel- und Kirschbäume. Elegant sieht das Gebäude aus, dessen Architekt Thilo Schoder war. Ihm als unbeirrter Vertreter des Neuen Bauens sind nicht nur in Gera zahlreiche Wohn- und Geschäftshäuser zuzuschreiben. Das in der Roschützer Straße entstand 1929/30. „Der wenig genutzte Balkon wurde erst später 1934 auf Wunsch des damaligen Bauherren Doktor Kurt Gröbe mit einem Flachdach überbaut. Es wäre zu zugig gewesen“, weiß Eigentümer Christian Köhler von dessen Tochter. Zwei Gröbe-Enkel aus den USA schauten sich in den 90er-Jahren das ehemalige Haus ihres Großvaters an und wurden gern willkommen geheißen. Auch die Familie des Bauhausarchitekten Schoder kennt das Ehepaar Köhler. Sie trafen sich im norwegischen Kristiansand, als die Geraer das Kunstmuseum besichtigten. Ein Plakat über einem roten Holzstuhl in der Diele zeugt noch von der Reise. „Mette Schoder will Anfang Juli zu uns nach Gera kommen“, freut sich schon Uta Köhler.

Das historische Foto ist zwischen 1930 und 1934 entstanden. Hier wohnte und arbeitete Kurt Gröbe. Repro: Peter Michaelis
Das historische Foto ist zwischen 1930 und 1934 entstanden. Hier wohnte und arbeitete Kurt Gröbe. Repro: Peter Michaelis © zgt

Seit 28 Jahren wohnen hier der promovierte Allgemeinmediziner in Rente und seine Frau Uta. Auf der schwarzen Couch lassen sie oft den Blick in den Garten schweifen, folgen dem Wechsel der Jahreszeiten. Hinter dem Ledersofa steht ein Klavier. Die Enkelinnen spielt bei Besuchen darauf. Eine original erhaltene Falttür verbindet den lichtdurchfluteten Wohn- und Essbereich. „Um sie zu schließen, brauche ich eine Leiter und mindestens zwanzig Minuten“, meint Christian Köhler. Die Tür bleibt deshalb offen. Beide Zimmer sind sparsam aber geschmackvoll eingerichtet. Die Eheleute mögen das Schlichte, das Funktionelle. „Tisch, Schrank, Sofa und Kommode stammen um 1935 von meinen Eltern“, erwähnt Uta Köhler. Wände schmücken unter anderem Anton Paul Kammerers „Hagebutten“, Walter Dexels „Mit schwarzem Kreis“ und Franz Hützschkes „Saalelandschaft“. Der Fußboden ist rot-braunes Linoleum.

Sorgfältig aufbewahrt ist im Arbeitszimmer die Bauzeichnung für das Wohn- und Geschäftshaus, unterschrieben von Kurt Gröbe und Thilo Schoder. Der Plan stimmt nicht ganz mit der Ausführung überein. Abweichungen gibt es zum Beispiel beim Treppenhaus. Auch die Rundungen sind nirgendwo vermerkt.

„Ich wollte mich beruflich verändern, praktizierte in Hermsdorf. In Gera konnte ich als Arzt in der Poliklinik Mitte arbeiten. Wir brauchten auch eine Wohnung“, reist Christian Köhler in die Vergangenheit. Er ist inzwischen 78 Jahre. Das Gröbe-Haus stand zum Verkauf. Zwar wussten die Köhlers um dessen Geschichte, beeindruckt habe sie das Objekt damals nicht gleich. Der Grund: Es war sanierungsbedürftig vom Dach bis zum Keller. Ein Jahr haderten die Eheleute mit sich. „Mein Bruder meinte, für das Geld können wir was Neues bekommen. Überlegt es euch noch einmal“, erinnert sich Uta Köhler. Dafür sprach aber: Es stand etwas Fertiges da und der Garten war wunderschön. 1989 kaufte das Paar trotz Bedenken das Haus. In der unteren Etage wohnte noch acht Jahre lang ein älterer Herr. „Er war Schlosser, gab uns manche Tipps. Die Elektrik stammte noch aus der Gründerzeit. Das Haus musste an die Kanalisation angeschlossen werden. Meine Frau war nachmittags immer mit Auto und Hänger unterwegs, um Baustoffe zu organisieren. Während der Umbauzeit nutzten wir gemeinsam die Küche und kümmerten uns um den Garten“, erzählt Christian Köhler. Nach zwei Jahren 1991 konnte das Ehepaar einziehen, ohne Tochter und Sohn wie eigentlich geplant. Sie, die Ingenieurin, und er, der Psychologe, hatten in anderen Städten Arbeit gefunden. Ihr Vater eröffnete gleich seine Arztpraxis im Haus. Mit 50 Quadratmetern war sie klein. Patienten saßen im Sommer zuweilen unter einer großen Kastanie. Von den Köhlers haben sie erfahren, in welchem geschichtsträchtigen Gebäude sie behandelt werden.

Als der ältere Herr mit seinen 95 Jahren nicht mehr allein leben konnte und ihn seine Familie zu sich nahm, vergrößerten die Köhlers die Praxis im Erdgeschoss. Dort praktizierte der Allgemeinmediziner bis 2010. Dann bauten sie wieder um, verlagerten ihren Lebensmittelpunkt von der ersten Etage nach unten.

Immer wieder fanden die Eheleute beim Entrümpeln Stücke aus der Bauhauszeit. Beschläge und Lampen bekamen sofort ihren Platz. Erhalten sind die Einbauschränke in mehreren Räumen, so auch unter den Fenstern im Wohnzimmer. Es lebe sich schön in einem solchen Haus, sagen die kunstinteressierten Eheleute. „Wir sind glücklich.“ Doch man müsse viel tun.

Informationen

Wohnhaus und Arztpraxis Kurt Gröbe, Roschützer Straße 10 Baujahr 1929/1930 Bauherr Kurt Gröbe Architekt Thilo Schoder Ursprüngliche Nutzung: Wohnhaus und Arztpraxis Aktuelle Nutzung: Wohnhaus Besonderheiten: Der halbrunde Annex mit Balkon wurde 1934 von dem Architekten Paul Schraps mit einem Flachdach überbaut. Arztpraxis und Wohnräume sind durch eigene Zugänge voneinander getrennt. Grundrisse sind weitgehend erhalten geblieben.