Gera. Eine ungewöhnliche Nacht mit Musik, Gebet und Schlaf erleben die Gäste der Salvatorkirche Gera beim Projekt „Traumkirche“ .

Es ist die Dunkelheit. In jedem Schlafzimmer ist doch irgendwo ein Licht, etwa von den Straßenlaternen vor dem Fenster. Der hinterste Raum der Empore in der Salvatorkirche Gera wird aber weder von Laternen noch von Lampen beleuchtet. Die innere Beleuchtung der Kirche ist bereits ausgeschaltet, das wenige äußere Licht wird vom riesigen bunten Glasfenster mit dem Jesus-Motiv komplett abgefangen. Es ist stockdunkel.

Ein gemeinsames Frühstück vor dem Altar beendet die ungewöhnliche Nacht in der „Traumkirche“ in Gera.
Ein gemeinsames Frühstück vor dem Altar beendet die ungewöhnliche Nacht in der „Traumkirche“ in Gera. © Ingo Glase

Für eine Nacht haben Pfarrer Stefan Körner und Kantor Martin Hesse – zwei junge, engagierte Jünger – die imposante Salvatorkirche Gera als Herberge für alle geöffnet. Unter dem Motto „Traumkirche“ können Gläubige, Atheisten, Interessierte und Neugierige Gottes Raum bei Gebet, Musik und Schlaf erleben.

„Viele Kirchen in großen Orten machen schon seit langem mit ungewöhnlichen Aktionen auf sich aufmerksam, vom Massen-Yoga bis zum Kletter-Kurs“, erklärt Martin Hesse. „Wir wollten in Gera auch mal Neues ausprobieren.“ Die Orgel sollte dabei eine zentrale Rolle spielen – so entstand das Projekt „Traumkirche“: An einem Lagerfeuer vor der Kirche lernen sich die Gäste kennen, gehen später gemeinsam zum Nachtgebet, ehe sie sanfte Orgelmusik in den Schlaf bringt – und am frühen Morgen genauso sanft wieder weckt. Mit einem Frühstück endet die ungewöhnliche Nacht. Der Plan ging auf: Etwa ein Dutzend jüngere wie ältere Gäste suchten sich am Freitagabend zwischen Altarraum und Empore einen Platz für ihre Iso-Matten, Feldbetten und Schlafsäcke.

Elke Pieper und Stephan Mühlbach aus Gera wählen für ihre Schlafsäcke den Platz direkt unter dem Kreuz.
Elke Pieper und Stephan Mühlbach aus Gera wählen für ihre Schlafsäcke den Platz direkt unter dem Kreuz. © Ingo Glase

„Es ist eine vielleicht einmalige Chance, so etwas mal zu erleben und auf sich wirken zu lassen“, sagt Arnulf Barth aus Bad Köstritz. Dessen Frau Eva ist in einer religiösen Familie aufgewachsen, die Kirche mit all ihren Traditionen lebt – und freut sich nach all den festlichen Zeremonien von Taufe bis Gottesdienst zur Silberhochzeit auf diese neue Erfahrung. „Solche modernen Ideen würden der Kirche insgesamt gut tun, eine Öffnung einerseits und eine Annäherung andererseits erleichtern“, glaubt sie. Viele Leute hätten mit der Institution Kirche ein größeres Problem als mit deren Inhalten. Dabei könne die christliche Gemeinschaft mit ihren Werten vielen Menschen Halt geben, vermutet Arnulf Barth. Er sei sehr neugierig darauf, den sakralen Raum mal anders zu erleben. „Ich bin sehr gespannt, wie wir aufwachen, hoffe auf die Stille und positive Energie.“ Auch Heidi Schön aus Gera ist unter den Schlafgästen. Sie hat eine solche Kirchennacht als Jugendliche in Ziegenrück erlebt – und wollte sich die Gelegenheit zur Wiederholung nicht entgehen lassen. Und obwohl katholischen Glaubens hat auch Stephan Mühlbach aus Gera sein Lager im evangelischen Gotteshaus aufgeschlagen, nicht nur aus Freundschaft zum Pfarrer, sondern auch aus Neugier: „Vielleicht rüttelt mich Martin Luther im Traum an den Schultern, um mich zu bekehren.“

Es ist dann aber nicht die leise Orgel, die die meisten Gäste wie geplant aus dem Schlaf holt, sondern der Rückenschmerz – der harte Boden fordert seinen Tribut, ebenso das Schnarchen, das aus allen Richtungen durch die Kirche hallt. Dennoch war es für alle ein besonderes Erlebnis, auch für den Pfarrer, denn am späten Abend kamen noch weitere, zufällige Schlafgäste dazu, alternative Künstler aus dem Ausland auf der Durchreise. „Wenn Menschen miteinander ins Gespräch kommen, die sich sonst nie begegnet wären, und dann noch unter einem Dach schlafen, ist das doch toll“, freut sich Pfarrer Körner schon auf eine spätere Wiederholung.

Auch Arnulf und Eva Barth und Heidi Schön sind begeistert. „Das war etwas ganz Besonderes, was wir in toller Erinnerung behalten.“ Vor allem die abendliche Orgelmusik und die nächtliche Stille haben sie begeistert. Und die Dunkelheit.