Hanno Müller über Arme und Reiche in einem reichen Land.

„Die sollen erstmal beweisen, dass sie arbeiten wollen.“ So und ähnlich lauteten Kommentare bei der Einführung der Ein-Euro-Jobs zu Beginn der 2000er- Jahre. Viele hatten mit den als „Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung“ bezeichneten und für Langzeitarbeitslose gedachten Arbeitsverhältnissen im Rahmen der Hartz-IV-Reformen keine Probleme – so lange sie nicht betroffen waren. Bald schon kursierten Meldungen, dass die Euro-Jobber Arbeiten übernahmen, die zuvor von regulär Beschäftigten verrichtet wurden. An der verheerenden Botschaft von guter Arbeit quasi zum Nulltarif störten sich nur wenige.

Laut Verteilungsbericht der Böckler-Stiftung ist Lohnungleichheit einer der stärksten Treiber für Differenzen in den Einkommen zwischen Armen und Reichen. Dass die Spreizung der Löhne etwa zeitgleich mit der Agenda 2000 und Hartz IV einsetzte, ist kein Zufall. Ist der Damm einmal gebrochen, dreht sich die Lohnspirale unaufhörlich nach unten – so lange dem niemand Einhalt gebietet. Der Mindestlohn ist ein Anfang, aber nicht genug.

Laut Studie hat die Entwicklung vor allem die Armen getroffen, sie wurden noch ärmer. In einer Gesellschaft der Ungleichen muss man sich nicht wundern, wenn man einander nicht mehr versteht. Armut und soziales Abgehängtsein ergeben eine tickende Zeitbombe. Mit Versprechungen und schönen Worten ist sie nicht zu entschärfen.

Wer arbeitet, muss davon würdevoll leben können. Und sage keiner, das sei nicht bezahlbar. Laut Studie konzentriert sich immer mehr Einkommen bei wenigen sehr Reichen, während viele Arme von der Verteilung ausgeschlossen werden. In einem reichen Land darf Armut nicht gesellschaftsfähig sein. Beteiligen sich Superreiche angemessen am Gemeinwohl, ist das auch gut für sie.

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