Marco Alles über die deutsche Schwimm-Krise.

Auf dem Papier gehört Deutschland noch immer zu den besten Schwimm-Nationen. Im ewigen Medaillenspiegel bei Weltmeisterschaften rangieren die hiesigen Schwimmer hinter den USA auf Platz zwei – deutlich vor Australien und China. Doch die Rangliste beruht fast ausschließlich auf Erfolgen der Vergangenheit; die aktuelle Situation vor der heute in Südkorea beginnenden WM ist ernüchternd. Hoffnung auf Besserung besteht praktisch nicht. Woher soll sie auch kommen?

Nach zwei medaillenlosen Olympischen Spielen und drei enttäuschenden Titelkämpfen in Folge steckt die Traditionssportart in einer tiefen Krise. Zehn Jahre nach der goldenen WM von Rom mit Britta Steffen und Paul Biedermann sind – vielleicht abgesehen von Florian Wellbrock – keine Nachfolger in Sicht. Und wer es nicht schafft, in der Weltspitze mitzumischen, taucht folgerichtig auch nicht mehr im Fernsehen auf.

Hinzu kommen die Querelen, die den Verband nicht zur Ruhe kommen lassen. Ende 2018 traten Präsidentin Gabi Dörries und Vize Andrea Thielenhaus zurück, deren erstmalige Erhöhung der Mitgliedsbeiträge nach über 30 Jahren abgeschmettert wurde. Dann warf Bundestrainer Henning Lambertz hin, dessen Reformbestrebungen mit stärkerer Zentralisierung und einheitlicher Trainingsmethodik auf wenig Gegenliebe gestoßen waren. Seitdem schlingert das DSV-Schiff scheinbar kopf- und planlos durchs Wasser.

Die Ziele sind entsprechend bescheiden; sowohl für die jetzigen WM-Tage als auch die olympischen Auftritte in Tokio. Will Deutschland irgendwann wieder eine Schwimm-Macht werden, müssen eine moderne Verbandsstruktur und ein leistungssportliches Konzept her. Und ei­ne Basis, die hinter beidem steht.