Bernd Jentsch zu Entwicklungen am Arbeitsmarkt.

Zunächst hört es sich extrem widersprüchlich an: In der Stadt Jena brauchen die Vermittler der Arbeitsagentur inzwischen durchschnittlich 162 Tage, um eine ihnen gemeldete freie Stelle neu besetzen zu können.

Auf der anderen Seite steht eine Quote von Langzeitarbeitslosen in der Saalestadt von aktuell 32,8 Prozent. Das heißt, jeder dritte Erwerbslose in Jena hat schon länger als ein Jahr keinen Arbeitsplatz und kein normales Einkommen.

Das erstaunt, zumal die Ostthüringer Region rund um Jena als eine wirtschaftlich aufblühende gilt. Hier haben einige – für Thüringer Verhältnisse – schon recht große Unternehmen ihren Sitz, wie Zeiss oder Jenoptik. Traditionsbetriebe wie Schott und Jenapharm bieten ebenso gute Jobs an wie zahlreiche junge Firmen, die im Umfeld der Universität und der Institute entstanden sind.

Dennoch finden viele Langzeitarbeitslose keine neue Anstellung. Der Hauptgrund dafür ist in Jena kein anderer als in allen Thüringer Regionen. Es gibt eine klaffende Diskrepanz zwischen dem Qualifikationsniveau der Erwerbslosen und den Erwartungen und Anforderungen der Unternehmen.

Auf dieses Problem müssen Gesellschaft und Politik passende Antworten finden. Das kann in einigen Fällen sicher eine gezielte Weiterbildung sein, in anderen eine soziale Absicherung für die Betroffenen und eine gezielte Anwerbung von Fachkräften für die Wirtschaft in Kombination.

Angesichts einer alternden Bevölkerung und eines sich stetig verringerten Potenzials von Menschen im arbeitsfähigen Alter wird Thüringen um eine gezielte Einwanderung nicht herumkommen, wenn man das wirtschaftliche Niveau beibehalten will. Die Arbeitsagenturen sind auf die Vermittlung von Zuwanderern eingestellt, die Firmen suchen teilweise bereits händeringend nach ihnen. Nun ist es an der Politik, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Fachkräfte, die zwei Jahre auf ein Visum warten, orientieren sich neu. Und gesucht werden gute Leute beileibe nicht nur in Deutschland.