Michael Backfisch zu den Protesten in Hongkong.

Es sind beunruhigende Bilder, die uns aus Hongkong erreichen. Die Finanz-Metropole in Ostasien gleicht dieser Tage einer Bürgerkriegslandschaft in einem Science-Fiction-Film. Die seit Monaten dauernden Proteste sind aus dem Ruder gelaufen. Schuld daran tragen beide Seiten.

Natürlich hat die Regierung in Hongkong Fehler gemacht. Gouverneurin Carrie Lam hat das umstrittene Auslieferungsgesetz viel zu spät aus dem Verkehr gezogen. Hätte sie das Gesetz erheblich früher gekippt, wären die Unruhen möglicherweise nicht eskaliert.

Stattdessen ließ Lam ein Massenaufgebot an Polizei aufmarschieren. Damit goss sie Öl ins Feuer. Parallel dazu radikalisierten sich die Aktivisten.

Längst geht es nicht mehr nur um das Auslieferungsgesetz. Die Protestler wollen nun den
Rücktritt der Regierungschefin, eine Untersuchung der Einsätze der Ordnungshüter und komplett freie Wahlen. Einige fordern sogar die Unabhängigkeit von Hongkong.

Die chinesische Führung zögerte bislang mit einer Intervention. Die aufstrebende Supermacht steckt in einem Dilemma. Einerseits will sie einen Dauer-Unruheherd in Hongkong nicht dulden.

Andererseits fürchtet sie, dass das glitzernde Geschäftszentrum bei einer Militär-Aktion einen gewaltigen Image-Schaden nehmen könnte.

Vor diesem Hintergrund heißt es nun: Ruhe bewahren! Wirtschaftssanktionen gegen Peking sind kein Automatismus, müssen aber eine Option bleiben. China sollte sich um Mäßigung bemühen und langfristig über Zugeständnisse nachdenken.

Vielleicht wäre es ja eine Option, den Sonderstatus Hongkongs über das Jahr 2047 hinaus zu verlängern. Die Aktivisten hingegen sollten sich auf realistische Ziele besinnen.

Eines ist sicher: Demokratie lässt sich nicht mit Molotow-Cocktails erzwingen. Friedliche Demonstrationen, Gespräche und Verhandlungen sind der Weg.