Hanno Müller über die verheerende Wirkung von Ein-Euro-Jobs.

Am Anfang standen die 1-Euro-Jobs. Verkauft wurden sie auch als Appetitmacher: Langzeitarbeitslose sollten wieder ein Gefühlt dafür bekommen, wie toll es ist, selbst eigenes Geld zu verdienen. Den Einwand, dass man von einem Euro pro Stunde nicht leben kann, konterten Arbeitsmarktrevolutionäre mit Sätzen wie: „Die sollen erst einmal zeigen, dass sie arbeiten wollen.“ Oder: „Besser so einen als gar keinen Job.“

Ein Zynismus mit verheerenden Folgen. Schnell wurden reguläre Beschäftigungsverhältnisse in niedrig bezahlte umgewandelt. Agenda 2010 und Hartz-Reformen machten die Verbilligung der Arbeit weiter salonfähig. Für manchen Arbeitgeber in Branchen wie Verkauf, Transport und Logistik, Nahrungsmittelerzeugung, Pflege oder Dienstleistungen sind Billiglöhner wohl zu verlockend. Die Anzahl Niedriglohnbeschäftigter, die Tätigkeiten mit mittleren und hohen Qualifikationsanforderungen ausüben, stieg seit Mitte der 1990er von einer auf drei Millionen.

Die Bertelsmann-Studie zeigt: Einmal im Billiglohnsegment gelandet, kommt man schwer wieder heraus. Die damit verbundene Senkung der Arbeitslosigkeit hat einen hohen Preis. Menschen wollen arbeiten und lassen sich auch deshalb auf Billigjobs ein. Erhoffte Aufstiegschancen erweisen sich für viele als Luftnummer.

Wohin das führt, zeigt die Coronakrise. Gerade Beschäftigte in Bereichen, die seitdem als systemrelevant gelten, stellen einen Großteil der gering Entlohnten. Besonders prekär ist die Lage für jene, für die der Minijob die Haupterwerbsquelle darstellt. Rund drei Viertel haben keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld, darunter viele Frauen, junge Leute und Migranten.

Einen Hoffnungsschimmer gibt es. Der Fachkräftemangel zwingt zu besserer Bezahlung. Vollzeitjobs, von denen man nicht auskömmlich leben kann, fallen damit immer mehr aus der Zeit.