Zu lange unterschätzt, jetzt im Fokus und alle wollen sie haben – Pflegekräfte.

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Wenn es um so einen sensiblen Bereich wie die Gesundheit geht, wird der Fachkräftemangel empfindlich wahrgenommen. Schwestern als Opfer harter Schichten, Influenzerinnen sprechen oft nicht für die Mehrheit derer, die in den Kliniken arbeiten. Die Pflegedirektorin der Zentralklinik, Christiane Jähnert, über Berufsmythen, den Alltag und ihre Begeisterung für den Pflegeberuf.

Wann wussten Sie, dass Sie Krankenschwester werden wollten?

Ich war sechs Jahre alt und wir fuhren in den Urlaub an die Ostsee. Da habe ich Matrosen gesehen und da hatte ich einen Lebensplan: ich wollte Krankenschwester werden und einen Matrosen heiraten. Der erste Teil hat geklappt.

Christiane Jähnert, Pflegedirektorin der Zentralklinik Bad Berka
Christiane Jähnert, Pflegedirektorin der Zentralklinik Bad Berka © Zentralklinik Bad Berka

Was sind die prägendsten Erinnerungen an ihre Lehrzeit und ihre ersten Berufsjahre?

Ich bin über 40 Jahre in dem Beruf. Bei uns war es tatsächlich so, dass Lehrjahre keine Herrenjahre waren. Ich habe viele Toiletten gescheuert, kann mich aber auch an tolle Lehrvisiten mit unseren Professoren in Gera erinnern. Wenn man vom Chefarzt gefragt wurde und eine zufriedenstellende Antwort geben konnte, war man der Held des Tages.

Wie sah damals die Berufsbekleidung aus?

Der rosa Kittel war begehrt, den durfte man tragen, wenn man seinen Abschluss hatte. Es gab eine strenge Kleiderordnung, z. B. durften keine schwarzen Strumpfhosen zum Kittel getragen werden. Darauf hat die Mutter Oberin geachtet. Sie war ein Heiligtum der Klinik.

Sie haben schon in verschiedenen Häusern gearbeitet, was ist Ihnen wichtig?

Es geht um Patienten. Es geht immer um den, der unsere Hilfe braucht. Auch heute noch sage ich, der Patient darf nicht spüren, was uns vielleicht fehlt oder drückt.

Gibt es Patienten, die sie nie vergessen haben?

In meiner Zeit als Intensivpflegekraft habe ich nächtelang mit meinen Kollegen an Betten gewacht, um z. B. ein kleines Mädchen durchzubringen, das nach einem Unfall bei uns lag. Wir haben gebangt, dass alles gut geht, mit den Eltern gelitten. Diese Nächte vergisst man nie.

Wann wussten Sie, dass Sie mehr wollten, als Schwester zu sein? Wie würden Sie ihren Weg vom Bett an den Schreibtisch skizzieren?

Ich würde sagen, ich bin der Klassiker: Ich habe den Beruf gelernt, wurde dann Fachschwester für Intensivtherapie, dann Stationsleitung und dann habe ich erfolgreich studiert. Jetzt bin ich schon sechs Jahre in der Zentralklinik und 15 Jahre Pflegedirektorin.

Über 500 Pflegekräfte arbeiten hier, kennen Sie jede Schwester und jeden Pfleger?

Wir haben neben unseren 500 Pflegekräften auch noch 250 Kolleginnen und Kollegen aus dem medizinisch-technischen Dienst und dem Funktionsdienst. Natürlich kenne ich nicht jeden Einzelnen, aber doch schon ziemlich viele. Bei mir ist immer die Tür offen. Und das nehmen viele wahr. Jeder, der zu mir kommt, spürt, er oder sie sind wichtig. Ich schenke Zeit und das schätzen die Kolleginnen und Kollegen.

Wie würden Sie ihre Beziehung zu den Kolleginnen und Kollegen beschreiben?

Unsere Beziehung ist mittlerweile sehr warm und sehr herzlich. Wir können uns aufeinander verlassen. Ich vertraue und sie wissen auch, dass sie mir vertrauen können. Die Pflege hat mich damals in diese Position berufen, das ist mir bis heute ganz wichtig. Da werde ich sehr emotional. Das trägt uns. Ich kann auch streng sein, wir haben ja Aufgaben und da geht es um Qualität, Hygiene, Fortschritt, Visionen und ich möchte auch viel umsetzen, aber ich muss auch das Gefühl haben, dass das alle verstehen und mittragen.

Könnten Sie heute noch ohne Vorbereitung am Bett arbeiten?

Ich glaube, dass ich durch mein Qualitätsmanagement nah dran bin. Wenn ich auf Station bin, dann sollen mich alle als Schülerin des 3. Lehrjahres betrachten. Als ich in der Corona-Zeit auf der ITS ausgeholfen habe, war es sehr schön für mich., dass eine Schwester nach dem Dienst gesagt hat: Wir würden Sie einstellen. Es geht also noch ganz gut.

Apropos ITS – es gab viele Videos von Schwestern in einer Opferrolle, was halten Sie davon?

Grundsätzlich? Gar nichts. Ich glaube auch nicht, dass sich die Mehrzahl unserer Pflegekräfte damit identifiziert. Eine Opferrolle einzunehmen, sollte bei uns im beruflichen Selbstverständnis keine Rolle spielen. Die Pflege ist eine starke Berufsgruppe, wir haben einen tollen Beruf, wir können so viel Gutes tun, wir können uns sinnstiftend ausleben. Genau das sind unsere Werte, die wir versuchen, jungen Leuten beizubringen. Pflege kann Spaß machen, Teamarbeit kann Spaß machen und alles ist von Stolz geprägt.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Auszubildenden und Pflegekräften aus dem Ausland gemacht?

Die internationalen Azubis haben ein breites Lächeln auf dem Gesicht. Wenn man ihnen begegnet, sind sie sehr freundlich, zugewandt, lern- und wissbegierig. Ich freue mich, dass die Jungen Menschen viel Kraft investieren: in zusätzliche Sprachkurse, um die Prüfungen gut bestehen. Mir gefällt die Disziplin, sie wollen erfolgreich sein.

Sie sind jedes Jahr an Heiligabend in der Klinik, welche Bedeutung hat das für Sie?

Die Idee hatte ich, weil ich auch meine Dienste an Feiertagen als Schwester denken musste. Wir haben unsere Oberin oder dann die Pflegedienstleitung meistens nur zu Gesicht bekommen, wenn es Negativanlässe gab oder zu gesetzten Zeitpunkten. Ich habe mir damals gewünscht, dass gesehen wird, dass wir Schwestern und Pfleger immer da sind, auch sonntags, an Feiertagen. Das wollte ich auch in unserer Klinik zeigen und Danke sagen.

Interview: Anke Geyer