Bodo Ramelow (Linke) spricht im Podcast “Reden wir über Thüringen“ mit Martin Debes und Elmar Otto über seine Amtszeit als Ministerpräsident.

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Sechs Parteien haben die Chance, in den nächsten Thüringer Landtag einzuziehen, der am 27. Oktober gewählt wird. Die Spitzenkandidatin und die fünf Spitzenkandidaten wurden daher von dieser Zeitung vorgestellt, in Porträts und in Interviews. Neu diesmal: Die aufgezeichneten Gespräche werden ungeschnitten als maximal einstündige Sendung – neudeutsch: Podcast – für Sie ins Netz zum Nachhören gestellt.

Nach den Spitzenkandidaten von SPD, FDP, Grünen und CDU – AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke hatte den vereinbarten Termin kurzfristig abgesagt – war zum Abschluss Linke-Spitzenkandidat Bodo Ramelow unser Gast. Er amtiert seit 2014 als Ministerpräsident der rot-rot-grünen Landesregierung. Die Interviewserie „Reden wir über Thüringen“ soll auch nach der Wahl fortgesetzt werden.

Wir dokumentieren an dieser Stelle einige Aussagen Ramelows, die Fragen wurden aus Platzgründen teils gekürzt.

Auf der Skala von 1 bis 10: Wie sicher sind Sie, dass Sie Ministerpräsident bleiben können?

Ich gehe von 10 aus.

Ok, Sie sind 100-prozentig sicher: Haben Sie denn Lust drauf?

Ja, absolut. Ich freu‘ mich drauf. Ich habe vor fünf Jahren die Gelegenheit gehabt, eine rot-rot-grüne Landesregierung mitentstehen lassen zu können. Und ich habe gelernt, dass es große Freude macht, mit drei Partnern gemeinsam Politik zu gestalten – und die würde ich gerne weitergestalten.

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Müssen Sie auch nicht deshalb Ministerpräsident bleiben, damit Ihre Partei, die bundesweit in den vergangenen Monaten Niederlagen erlitt, endlich mal wieder ein Erfolgserlebnis bekommt?

Die Niederlagen sind ja nicht nur aus den letzten Monaten. Wir haben eine Egalisierung der Wahlergebnisse unserer Partei Die Linke. Wir haben aber auch eine Akzentverschiebung: Ich habe von 2005 bis 2009 diese neue Partei Die Linke entstehen lassen. Ich war damals der Architekt, der die mechanische Form der Zusammenführung von der WASG und der PDS organisiert hat. Damals habe ich schon gesagt, wir brauchen eine gesamtdeutsche Perspektive.

Dass wir heute in Bremen in einer Landesregierung mitregieren und dass die dortige Wirtschaftssenatorin von uns gestellt wird, ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir tatsächlich gesamtdeutsch ein gutes Fundament haben. Das bedeutet aber auch, dass wir den Gebrauchswert unserer eigenen Partei selber neu bestimmen müssen.

Ich werde aber nicht Ministerpräsident für meine Partei. Ich werde Ministerpräsident in Thüringen, weil ich gerne Ministerpräsident für Rot-Rot-Grün sein möchte – auch in der Zukunft.

Zur rot-rot-grünen Bilanz: Warum hat es eigentlich mit der Kreisreform nicht geklappt?

Weil wir es mit Zwang durchsetzen wollten und der Meinung waren, dass wir in einem Jahr Zwang – also wenn wir ein Jahr Zwang ausüben – dann mit einem riesigen Akt das Ding vollziehen. Dass wir dann den Widerstand, der entstehen wird, in eine produktive Kraft wenden könnten. Das war eine Fehleinschätzung. Wir haben nicht mehr drumherum erklärt, dass es keine Verlustdebatte, sondern eine Mehrwertdebatte ist. […] Da haben wir zu viel auf einmal gemacht, und zu wenig die Kommunikation emotional verstanden, die nach außen sozusagen Ängste ausgelöst hat.

Diese Kommunikationsdefizite werden ja oft mit dem damaligen Innenminister Holger Poppenhäger von der SPD angelastet. Aber wie sehr ziehen Sie sich den Schuh an, dass Sie das nicht zur Chefsache gemacht haben?

Ganz im Gegenteil: Es war ja Chefsache. Nur wir haben es zerlegt in zwei verschiedene Häuser. Wir haben einen Teil hier im Haus [der Staatskanzlei] gemacht, da war es Chefsache, und einen Teil hat Holger Poppenhäger gemacht. Und Holger hat gesagt, ich traue mir zu, den Kreisgebietsteil zu machen – und wir haben uns jeden Tag abgesprochen.

Das wäre mir auch zu einfach, es Holger Poppenhäger in die Schuhe zu schieben. […] Die Verantwortung liegt bei mir und bleibt auch bei mir.

Der Unterrichtsausfall an den Thüringer Schulen bleibt ex­trem hoch. Haben Sie da zu spät reagiert?

Es geht erst einmal darum: Wo kriegen wir die Lehrerinnen und Lehrer her, und wo kriegen wir die Stellen dafür her. […] Der Stellenabbaupfad, den die Landesregierung Lieberknecht beschlossen hatte, […] hätte dazu geführt, dass die 17.200 Stellen an Lehrern auf 14.900 Lehrer runtergegangen wären. Der Ausfall an Stunden wäre noch viel höher.

Aber warum haben Sie dann zu Beginn der Wahlperiode die Zahl der Referendarstellen reduziert?

Weil es keine gab! Es gab sie nicht! Es gab zu diesem Zeitpunkt keine ausreichende Zahl von Referendaren. Und deshalb haben wir gesagt, es ist völlig irrelevant, wenn du sie nicht hast. Wir haben derzeit 300 nicht besetzte Lehrerstellen – und ich habe keine Lehrerinnen und Lehrer. Wenn man über Jahrzehnte den jungen Leuten sagt, studiert es erst gar nicht oder geht gleich in den Westen: Dann haben wir keine. Und noch mal: Wir haben [die Einstellungen von Lehrern im Vergleich zur Vorgängerregierung] von 1491 auf 3400 aufgestockt. Das ist Fakt. Der zweite Fakt: Eingestiegen sind wir mit 17.200 Lehrern, aussteigen werden wir mit 17.200. Wir sind auf die 14.900 nicht runtergegangen. Und trotzdem haben wir jeden fünften Lehrer jetzt verjüngt. Und im kommenden Jahr werden wir jeden ausscheidenden Lehrer sofort ersetzen, und zwar Monat für Monat, wir sind von den ganzen starren Zeiten weg.

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Da hat sich zuletzt einiges geändert, ja. Ihre Regierung will jetzt, zum Beispiel, die Einstellungstermine der Pädagogikabsolventen in das Referendariat flexibilisieren. Das war eine alte Forderung. Hätte man das nicht schon eher machen können?

Das stimmt. Ich will aber mal das Beispiel der Ein-Fach-Lehrer nennen: Die hätte man schon seit 28 Jahren zu normalen Lehrern machen können. Oder ich will das Beispiel der Hortnerinnen nennen: Die hätte man schon seit 28 Jahren wieder als Lehrerinnen zulassen können. Die hatten nämlich ein Grundschulstudium, wie all die anderen Lehrerinnen auch. Die waren alle exzellent in der DDR ausgebildet und sind alle nicht eingesetzt worden. Wir haben erst das alles korrigieren müssen. Dann kommt das dritte Thema: Verbeamtung. Das habe ich völlig falsch eingeschätzt. Ich war politisch gegen die Verbeamtung. Ich bin dann über meinen Schatten gesprungen und hab gesagt, ich höre jetzt auf, das ideologisch zu bearbeiten. Weil: Wenn die jungen Leute verbeamtet werden wollen, dann machen wir das.

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