Berlin. SPD und FDP haben dem Koalitionsvertrag der Ampel zugestimmt. An diesem Montag wollen die Sozialdemokraten ihre Minister vorstellen.

Klingelt es oder klingelt es nicht? Diese Frage stellten sich am 2. Advent die Politikerinnen und Politiker in der SPD mit Hoffnungen auf einen Ministerposten im Kabinett von Olaf Scholz. Der designierte Kanzler führte am Sonntag letzte Gespräche mit den infrage kommenden Kandidatinnen und Kandidaten, war aus der SPD zu hören. So dürfte eine ganze Reihe von Sozialdemokraten das Handy scharf im Blick gehabt haben. Denn über die Pläne von Scholz war bis zuletzt selbst im Kreis der möglichen Betroffenen wenig bekannt. Die offizielle Vorstellung der SPD-Minister ist für diesen Montagvormittag geplant.

Am heftigsten wurde im Vorfeld diskutiert, ob Karl Lauterbach der nächste Gesundheitsminister wird. Der studierte Mediziner ist ein anerkannter Corona-Experte, im Fernsehen und auf Twitter äußert sich der 58-Jährige unermüdlich zur Pandemie. In dem Online-Kurzbotschaftendienst folgen Lauterbach fast 700.000 Menschen. Dort wurde in den vergangenen Tagen auch unter dem Stichwort „#wirwollenkarl“ dazu aufgerufen, Lauterbach zum Nachfolger von Jens Spahn (CDU) zu berufen.

Lauterbach als Gesundheitsminister: Schlechte Aussichten

Dennoch wurden Lauterbachs Aussichten auf das Amt in SPD-Kreisen am Wochenende als schlecht eingeschätzt. „Die Tür für Karl Lauterbach ist eng“, hieß es. Denn einerseits hat Scholz im Wahlkampf versprochen, dass sein Kabinett mindestens zur Hälfte mit Frauen besetzt sein werde. Neben dem künftigen Kanzler selbst galten von SPD-Seite der bisherige Arbeitsminister Hubertus Heil und der Scholz-Vertraute Wolfgang Schmidt als gesetzt. Unter Berücksichtigung der Personalauswahl von FDP und Grünen hätte Scholz damit nur noch einen Posten für einen Mann frei. Lauterbach habe bei allem Fachwissen zudem einen „Hang zum Chaotischen“, sagte ein Genosse am Sonntag.

Die „Bild am Sonntag“ berichtete, dass Lauterbach zwar nicht Minister, aber Chef des neuen Corona-Expertenrats im Kanzleramt werden könnte. Lauterbach äußerte sich am Sonntag auf Anfrage nicht zu dem Bericht. Das Blatt meldete zudem, dass die frühere Arbeitsministerin und Ex-SPD-Chefin Andrea Nahles zum 1. April Chefin der Bundesagentur für Arbeit werden könnte. Dann endet der Vertrag von Amtsinhaber Detlef Scheele, der die Aufgabe abgeben will.

SPD und FDP stimmen Koalitionsvertrag zu

Die SPD hatte dem Ampel-Koalitionsvertrag mit FDP und Grünen am Sonnabend auf einem Parteitag mit überwältigender Mehrheit zugestimmt. Die FDP folgte am Sonntagnachmittag: Auf einem Parteitag stimmten rund 92 Prozent der Delegierten dem Koalitionsvertrag zu. Parteichef Christian Lindner hatte zuvor eindringlich dafür geworben: „Bei einer möglichen Jamaika-Koalition hätte es nicht mehr liberale Politik gegeben, als jetzt in dieser Ampel möglich ist“, sagte Lindner beim teilweise digitalen Parteitag in Berlin. Der Schritt in das Regierungsbündnis mit SPD und Grünen sei auch kein Lagerwechsel, wie mancher jetzt kritisieren würde. „Wir haben uns nie als Teil eines Lagers verstanden.“

Der FDP-Chef zeigte sich aber auch selbstkritisch. Das Bild, dass alte und künftige Regierung zuletzt im Streit um den richtigen Kurs in der Corona-Pandemie abgegeben hätten, sei nicht gut gewesen: „Ich empfehle uns allen, auf eine Wiederholung zu verzichten.“ Für die Liberalen kündigte Lindner einen neuen Stil an: Die FDP müsse jetzt als Regierungspartei „einladender, verbindlicher“ formulieren und die Scharfmacher-Rhetorik anderen überlassen.

Lindner selbst wählte im Gegensatz zu frühen Auftritten einen auffällig staatstragenden Ton: „Lassen wir zu, dass das Regierungshandeln uns prägt“, rief er den Delegierten zu. Und: „Ich werde nicht Minister der FDP oder der Ampel, sondern der Bundesrepublik Deutschland.“ Der Parteichef mahnte angesichts der bevorstehenden Mammutaufgaben zu „Demut“ und bat um Geduld: Nicht alle Ziele des Koalitionsvertrags seien sofort realisierbar.

Impfpflicht könnte Ampel-Parteien spalten

Ausdrücklich lobte Lindner den künftigen SPD-Kanzler: Olaf Scholz habe „mit großem Geschick vermocht, zuvor Trennendes zu verbinden“. Er habe sich in den Augen der Liberalen als Führungspersönlichkeit vorgestellt. Scholz muss das bereits in den kommenden Tagen beweisen: Die geplante Entscheidung über eine allgemeine Impfpflicht hat das Potenzial, die drei Ampel-Parteien zu spalten. Zwar seien 77 Prozent der FDP-Wähler dafür, so Lindner. Es gebe aber auch gute Argumente dagegen. Der Plan, die Abstimmung freizugeben und das Vorhaben nicht als Gesetz der Regierung durch den Bundestag zu bringen, könnte möglicherweise am Widerstand der Union scheitern.

Stimmen die Grünen-Mitglieder dem Ampel-Bündnis ebenfalls zu, wollen die drei Parteien am Dienstag den Koalitionsvertrag unterschreiben. Am Tag danach soll Scholz im Bundestag zum Kanzler gewählt werden.