Martin Debes über beleidigte Sozialdemokraten.

Es gibt nicht viele Parteien, die eine Art eigene Hymne besitzen. Die Sozialdemokraten haben eine. „Wann wir schreiten Seit’ an Seit’“, singen sie stets am Ende ihrer Bundesparteitage, unbeschadet von dem Umstand, dass dies auch Liedgut von KPD und DDR war.

Seit’ an Seit’: Das ist in der SPD seit Langem viel zu oft nur noch ein unerfülltes Versprechen, ja, eine Illusion. In fast keiner Partei geht es härter zwischen den Mitgliedern zu, die sich doch tatsächlich immer noch als Genossen bezeichnen. Die Demontage der Bundesvorsitzenden Andrea Nahles zeigte gerade erst, was Menschen auch in einer Demokratie einander anzutun vermögen, wenn es um ein bisschen Macht geht.

Nun also ist die gesamte zweite Reihe der nicht mehr sonderlich großen SPD-Fraktion im Thüringer Parlament zurück­getreten. Der Grund: Die zwei Vizechefs und die Parla­mentarische Geschäftsführerin wurden auf dem jüngsten Landesparteitag auf hintere Listenplätze gewählt und werden dem nächsten Landtag höchstwahrscheinlich nicht mehr an­gehören.

Das spricht, erstens, bestimmt nicht für die Souveränität und Professionalität von Birgit Pelke, Dagmar Becker und Frank Warnecke, die mehrheitlich nicht unbedingt zu den Leistungsträgern in der Fraktion gehörten. Ganz im Gegenteil.

Aber es spricht eben auch nicht für das Kommunikationstalent des Landesvorsitzenden Wolfgang Tiefensee. So eine Situation passiert nicht einfach. Sie kündigt sich an. Sie wächst heran.

Vier Monate vor der Landtagswahl ist dieser unnötige ­Eklat ein verheerendes Signal für die Landespartei, die wahrlich andere Sorgen hat als ein paar illoyale Abgeordnete.

„Wann wir schreiten Seit’ an Seit’“, singen die Sozialdemokraten. Ja, wann bloß?

Auch interessant