Erfurt. Der Ukraine-Krieg weckt bei vielen ungute Erinnerungen und Assoziationen. Ein ehemaliger Offizier der NVA-Raketentruppen kennt einige von Putins Waffen noch aus seiner aktiven Zeit.

Jeden Tag bedrohlichere Nachrichten, jeden Tag erschreckendere Bilder von Zerstörung und Tod. „Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal erleben und täglich sehen würde, was russische Bomben und Raketen anrichten“, sagt der Jenaer Frank Dägling.

Der Thüringer ist Leser dieser Zeitung und Ex-Offizier der NVA-Raketentruppen. Stationiert war er zwischen 1977 und 1990 in verschiedenen Einheiten, zuletzt bei der 3. Raketenbrigade in Tautenhain. Was er jetzt im Fernsehen zu sehen bekomme, rufe viele Erinnerungen in ihm wach und bereite ihm große Sorgen. Sicher gebe es inzwischen neue, effektivere Waffen. Allerdings zeigten Aufnahmen von brennendem Militärgerät auch Anlagen für Raketen-Abschuss, Steuerung oder Abwehr, wie sie vor 40 Jahren schon Verwendung fanden.

Geübt wurde in der russischen Steppe

Unterschieden wurde seinerzeit zwischen strategischen und operativ-taktischen Raketen. Erstere konnten Ziele in Tausenden Kilometern erreichen. Letztere, wie es sie auch in Tautenhain gab, hatten immerhin eine Reichweite von mehreren Hundert Kilometern. Der Thüringer Verband bestand zu seiner Zeit aus zwei Abteilungen mit je drei Startbatterien, sagt Dägling. Alle zwei Jahre fuhr man zum scharfen Start in die Region zwischen Kapustin Jar und Astrachan. 1984 erlebte er dort mit, wie die Tautenhainer NVA-Einheit operativ-taktische Raketen in die nahe kasachische Steppe abfeuerte.

Diplomatie ist gefordert

Medien berichteten, dass Putin gerade wieder entsprechende Truppen dorthin zum Training geschickt hat. Aus eigener Erfahrung wisse er, wie schnell sich der Schalter von Übung auf Ernstfall umlegen lasse. „Die Angst vor Putins Atomwaffen ist berechtigt. Deswegen sollte man aber die Gefahr der operativ-taktischen Raketen nicht unterschätzen. Sie könnten in wenigen Tagen verladen und per Schiene über das jetzt sicher nicht zufällig besonders umkämpfte Charkov in Richtung Westen verlegt werden. Das ist die gleiche Strecke, auf der damals auch die NVA unterwegs war“, mahnt der Jenaer. Deswegen müsse es auch weiter um Diplomatie gehen.

Strela-Raketen galten als störanfällig

Auch die für die Ukraine bestimmte NVA-Abwehrwaffe vom Typ Strela kennt Frank Dägling noch. Es handele sich um schultergestützte, russische Kurzstrecken-Boden-Luft-Raketen. Mit einer Reichweite bis zu drei Kilometern eigene sie sich vor allem zur Abwehr tieffliegender Ziele. Der Infrarot-Suchkopf suche sein Ziel eigenständig, galt aber schon zu DDR-Zeiten als störanfällig. Er könne sich nicht wirklich vorstellen, dass alle Strelas nach 40 Jahren noch einwandfrei funktionieren. „Kriegsentscheidend kann die Strela ganz sicher nicht sein“, sagt der 66-Jährige.