Berlin. Das Ticket wird zum finanziellen Desaster. Der Verband Pro Bahn hält eine Preiserhöhung für wahrscheinlich und nennt auch eine Zahl.

Der Fahrgastverband Pro Bahn rechnet in absehbarer Zeit mit einem höheren Preis für das Deutschlandticket. Der bisherige Preis von 49 Euro werde kaum zu halten sein, sagte der Ehrenvorsitzende des Verbands, Karl-Peter Naumann, am Dienstag unserer Redaktion. "Wenn der Staat nicht mehr Geld geben will, dann muss das über den Preis gehen. Da bleibt gar nichts anderes übrig."

Naumann verwies auf deutlich gestiegene Kosten der Nahverkehrsunternehmen, etwa für Löhne, Kraftstoffe und Material. Aus Gesprächen mit Firmenvertretern wisse er, dass insbesondere in ländlichen Regionen viele Unternehmen längst nicht mehr kostendeckend arbeiten könnten und deshalb darüber nachdächten, das Angebot für die Fahrgäste auszudünnen. Lesen Sie auch den Kommentar: Deutschlandticket: Bund und Länder sind unter Zugzwang

Der Pro-Bahn-Ehrenvorsitzende sagte: "Kein Fahrgastverband sagt bravo, wenn es teurer wird. Aber wenn die Alternative die Einstellung von Verkehrsleistung auf dem Lande ist, dann wäre ein Ticketpreis von 59 Euro das kleinere Übel." Insgesamt müsse der Staat deutlich mehr Geld ins System stecken, und zwar vorrangig für den Ausbau des Nahverkehrs-Angebots und weniger für die Subventionierung von Tickets.

Interaktiv: Deutschlandticket – Wie weit komme ich mit der Fahrkarte?

49-Euro-Ticket: Bund und Länder streiten weiter über die Finanzierung

Naumann reagierte damit auf neue Berechnungen des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Demnach geht die Branche davon aus, dass die Kosten des Deutschlandtickets für die Verkehrsanbieter und Verbünde im kommenden Jahr bei mehr als vier Milliarden Euro liegen werden. Bund und Länder wollen von 2023 bis 2025 gemeinsam aber nur drei Milliarden Euro pro Jahr für das Ticket zur Verfügung stellen.

Seit Mai kann man mit dem Deutschlandticket den gesamten Nah- und Regionalverkehr im Land nutzen. Die Finanzierung des Angebots ist allerdings nicht auf Dauer gesichert.
Seit Mai kann man mit dem Deutschlandticket den gesamten Nah- und Regionalverkehr im Land nutzen. Die Finanzierung des Angebots ist allerdings nicht auf Dauer gesichert. © dpa | Stefan Sauer

Das bedeutet, dass sich für 2024 eine Finanzierungslücke von mehr als einer Milliarde Euro abzeichnet. Bisher haben sich Bund und Länder noch nicht darauf verständigen können, wer vom kommenden Jahr an für etwaige Mehrkosten aufkommt. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) lehnt höhere Zahlungen des Bundes ab und verweist darauf, dass die Länder für den Regionalverkehr zuständig sind. Gibt es keine Einigung, könnte dem Deutschlandticket unter Umständen das Aus drohen.

Der Hauptgeschäftsführer des VDV, Oliver Wolff, sagte am Dienstag: "Wir brauchen eigentlich bis zum 1. Oktober eine klare Zusage von Bund und Ländern, wie die gesamten Kosten der Branche im Zuge des Deutschlandtickets auch im kommenden Jahr finanziert werden sollen. Bleibt eine solche Entscheidung aus, sind die Verkehrsunternehmen und Verbünde nicht in der Lage, eine verlässliche Planung für 2024 vorzulegen."

Deutschlandticket: Verkehrsunternehmen verkaufen weniger herkömmliche Abos

Das Deutschlandticket ermöglicht seit Anfang Mai die bundesweite Nutzung aller Busse und Bahnen des Nah- und Regionalverkehrs zum Preis von nur 49 Euro pro Monat. Zuletzt hatte die Branche von elf Millionen verkauften Abos berichtet, bei weiter steigender Tendenz.

Der Erfolg des 49-Euro-Tickets setzt die Verkehrsunternehmen aber zusätzlich unter Druck: Sie verkaufen weniger herkömmliche Abonnements und Einzelfahrscheine. Dadurch haben sie geringere Einnahmen, die durch das neue Ticket nicht vollständig ausgeglichen werden. Der VDV betonte am Dienstag, dass die Branche derzeit überdies Mehrkosten für Vertrieb, Digitalisierung und Kundeninformation zu schultern habe.