Brüssel. Die EU-Asylpolitik setzt auf mehr Kontrolle und Abschreckung. Wird das funktionieren? Deutschland und Europa haben noch viel zu tun.

Seit der Flüchtlingskrise 2015 wird verhandelt, jetzt endlich ist die Asylreform der Europäischen Union beschlossen. Die Einigung in Brüssel ist ein großer Schritt für die europäische Politik, allerdings ein deutlich kleinerer Schritt für die Lösung der Flüchtlingsprobleme in Deutschland und anderen EU-Staaten. Schnelle Entlastung bei den Asylbewerberzahlen sollte sich hierzulande niemand erhoffen – das war allerdings weder versprochen noch ist es ohne schwere Kollateralschäden politisch machbar.

Dennoch ist es ein Durchbruch, dass sich Parlament und EU-Mitgliedstaaten endlich auf eine Reform des desolaten Asylsystems geeinigt haben. Im Kern verschärft Europa seinen Kurs: Es setzt auf mehr Kontrolle an den Außengrenzen. Und auf Abschreckung jener irregulären Migranten, für die das Asylrecht niemals gedacht war. Wer offensichtlich keine Chance auf Flüchtlingsschutz hat, soll nur möglichst kurz in einem Asylzentrum an der Außengrenze Europas bleiben und nach wenigen Wochen wieder abgeschoben werden. Erschwert werden Versuche, Asylanträge in mehreren Ländern zu stellen – diese Sekundärmigration ist bisher vor allem für Deutschland eine Belastung.

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Die abschreckende Wirkung des neuen Kurses könnte ein erster Schritt sein, illegale Migration nach Europa einzudämmen, ohne das Asylrecht für Schutzbedürftige anzutasten. Voraussetzung ist allerdings, dass die Abschiebungen künftig besser funktionieren als bisher, vor allem durch engere Kooperation mit Dritt- und Herkunftsstaaten. Gesichert ist das nicht. Ob die menschenrechtlichen Standards in den Asylzentren nicht nur auf dem Papier Berücksichtigung finden, wird zudem sehr genau zu beobachten sein. Der größere Teil der Asylbewerber in Europa ist von dieser Verschärfung aber ohnehin eher wenig betroffen.

Asyl: Neue Solidaritätsregeln sind kein großer Wurf

Vor allem die Regeln zur Verteilung der Asylsuchenden auf die EU-Staaten sind indes alles andere als ein großer Wurf: Sie sind kompliziert und manipulierbar, bauen zu großen Teilen auf Freiwilligkeit und guten Willen – unklar, ob und wie die flexible Solidarität in der Praxis umgesetzt wird. Geht es schief, werden die Staaten an den Außengrenzen im Zweifel doch lieber Flüchtlinge einfach durchwinken. Dass die EU mit diesen Beschlüssen eine neue, große Flüchtlingskrise effektiv und fair bewältigen könnte, ist nicht garantiert.

Christian Kerl ist Brüssel-Korrespondent in der FUNKE Zentralredaktion.
Christian Kerl ist Brüssel-Korrespondent in der FUNKE Zentralredaktion. © FMG | FMG

Vom Anspruch, Migration wirksam zu steuern, ist Europa ohnehin weit entfernt: Dazu bräuchte es ein Asylsystem, das gefährliche Mittelmeerüberfahrten überflüssig macht, weil Migranten schon außerhalb Europas Asyl in der EU beantragen können – mit geregelten Chancen auf einen legalen Aufenthalt jenseits des Asylrechts, mit wirksamer Bekämpfung von Fluchtursachen. Und mit wirklich solidarischer Verteilung in der EU. Das müsste die Aufgabe der Asylpolitik in den kommenden Jahren sein. Tatsächlich hat sie aber wohl erst mal mehr damit zu tun, die neuen Regeln überhaupt umzusetzen.

Kurzfristig bleibt deshalb vor allem die nationale Politik gefragt: Grenzkontrollen und die Neujustierung von Asylbewerberleistungen in Deutschland müssen auch nach der Brüsseler Einigung auf der Tagesordnung bleiben – ebenso die Hilfe für überlastete Kommunen. Für Ordnung in der Flüchtlingspolitik zu sorgen, ohne Menschenrechte zu verletzen und die Hilfe für wirklich Schutzbedürftige zu gefährden, bleibt ein ständiger Balanceakt. Die EU-Asylreform hält, bei allen Schwächen, diese Balance. Sie kann deshalb keine einfache, schnelle Lösung für alle Flüchtlingsprobleme bieten. Etwas anderes zu versprechen, wäre töricht.