Paris. Macrons Klon und Kronprinz? Mit Gabriel Attal berief der Präsident einen der populärsten Politiker des Landes zum Regierungschef.

Es handelt sich gleichzeitig um einen Generationswechsel an der Spitze der Regierung und um einen politischen Coup. Nachdem die französische Premierministerin Élisabeth Borne (62) am Montag zurücktreten musste, hat Präsident Emmanuel Macron am Dienstag den erst 34-jährigen, aber höchst populären Senkrechtstarter Gabriel Attal zu ihrem Nachfolger ernannt. Ein Ereignis, ganz fraglos. Die Annalen werden festhalten, dass das jüngste Staatsoberhaupt der Fünften Französischen Republik dem Land nun auch den jüngsten Regierungschef der Nachkriegsgeschichte berufen hat.

Anzuführen, dass Attal auch der erste homosexuelle Premierminister Frankreichs ist, würde links des Rheins bestenfalls als Randnotiz verbucht. Die Franzosen kennen den jungen Mann, den Macron erst im Sommer an die Spitze des Bildungsministeriums katapultierte, gut genug, um zu wissen, dass er bereits seit sieben Jahren mit dem Europaabgeordneten Stéphane Séjourné verheiratet ist. Tatsächlich weisen die Umfragen den neuen Regierungschef als zweitbeliebteste politische Persönlichkeit aus, knapp hinter dem Ex-Premier Édouard Philippe und vor der Rechtsextremistin Marine Le Pen.

Frankreichs neuer Premierminister legte politische Blitzkarriere hin

Gabriel Attal gilt als Vertrauter des Staatsoberhaupts und zählt zu jener Riege brillanter Jungpolitiker, die schon an dem Abenteuer von Macrons erstem Präsidentschaftswahlkampf teilnahmen. Bei den anschließenden Parlamentswahlen eroberte der damals 27-jährige Ex-Sozialist sein erstes Abgeordnetenmandat. Der zuvorkommende, gut aussehende und rhetorisch begabte „Macron-Boy“ wusste aufzufallen im Halbrund der Nationalversammlung, bevor er Schlag auf Schlag erst zum Regierungssprecher, dann zum beigeordneten Minister für die Staatsfinanzen und schließlich zum Bildungsminister befördert wurde.

Gabriel Attal, der neue Premierminister Frankreichs, gilt als Vertrauter von Staatsoberhaupt Emmanuel Macron.
Gabriel Attal, der neue Premierminister Frankreichs, gilt als Vertrauter von Staatsoberhaupt Emmanuel Macron. © DPA Images | Bertrand Guay

Attals politische Blitzkarriere erinnert dermaßen an die seines präsidialen Mentors, dass manche ihn als Macrons Klon bezeichnen. Aber Neider hatte er zumindest bislang auffallend wenige. „Er weiß, was und wohin er will, aber er ist ausgesprochen charmant und er kann zuhören“, bescheinigte ihm jüngst sogar ein Abgeordneter der konservativen Republikaner-Partei. Generell wird Attal nachgesagt, gute Kontakte zu zahlreichen Oppositionspolitkern zu unterhalten. Ein Umstand, der bei seiner Ernennung durchaus eine Rolle gespielt haben dürfte, da die Regierungspartei Renaissance seit eineinhalb Jahren nicht mehr über eine absolute Parlamentsmehrheit verfügt und eine kompromissbereite Linie steuern muss.

Attals Vorgängerin gilt als unpopulär und verbissen

Élisabeth Borne mag alles andere als unfähig gewesen sein, was schon die Tatsache unterstreicht, dass sie es schaffte, neben 48 Gesetzen sowohl die umstrittene Rentenreform als auch das nicht weniger umstrittene neue Einwanderungsgesetz durchzusetzen, und nicht weniger als 31 Misstrauensanträge abwehren konnte. Aber sie war unpopulär, galt als rigide, ja verbissen und ist alles andere als redegewandt. Attal, der sich blendend zu verkaufen weiß, wirkt vor diesem Hintergrund als die exakte Gegenbesetzung. Vor allem aber setzt Macron mit ihm wohl auf einen frischen Wind für seine Präsidentschaft.

Frischen Wind, eine neue Dynamik – nichts benötigt Macron mehr vor den anstehenden Europawahlen, bei denen ein Triumph des rechtsextremen Rassemblement National droht. Zumindest auf dem Papier verspricht Attal beides. Aber auch er muss erst einmal beweisen, dass er ohne absolute Regierungsmehrheit besser zurechtkommt als seine Vorgängerin. Die Latte liegt hoch – doch sollte er sie nehmen, würde ihm sogar die Rolle des Kronprinzen in den Schoss fallen. Der Verdacht, dass Macron seinen potenziellen Nachfolger in Stellung bringen will, ist also keineswegs von der Hand zu weisen. Wobei es kein Geheimnis ist, wie groß die Stücke sind, die der Präsident auf seinen Zögling hält.