Berlin. Lange wirkte der Bundeskanzler, als nehme er die Stimmung außerhalb des Kanzleramts nicht wahr. Ändert sich da neuerdings etwa was?

Es ist ein kleines Wort, das aber für den Kanzler einen großen Schritt bedeutet. „Ja“, antwortete Olaf Scholz in einem Interview auf die Frage, ob er Selbstkritik übe. Zuvor hatte der SPD-Politiker zum Erscheinungsbild seiner Regierung eingeräumt: „Leider ist es zu selten gelungen, wichtige Beschlüsse ohne langwierige öffentliche Auseinandersetzungen zu treffen.“

Das sind neue Töne. Lange vermittelte Scholz den Eindruck, als gehe es ihn im Kanzleramt nichts an, wenn sich die Koalition über gerade gefasste Beschlüsse beinahe zerlegte. Oft wirkte der Kanzler, als nehme er die Stimmung im Land nicht wahr.

Wütende Bauern, Pfiffe beim Handball: Scholz bekam die schlechte Stimmung zu spüren

Chefreporter Jan Dörner meint: „Lange vermittelte Scholz den Eindruck, als gehe es ihn im Kanzleramt nichts an, wenn sich die Koalition über gerade gefasste Beschlüsse beinahe zerlegte.“ 
Chefreporter Jan Dörner meint: „Lange vermittelte Scholz den Eindruck, als gehe es ihn im Kanzleramt nichts an, wenn sich die Koalition über gerade gefasste Beschlüsse beinahe zerlegte.“  © FUNKE / Foto Services | Reto Klar

Nachdem ihm die wütenden Bauern auf die Pelle rückten und er beim Besuch eines Handballspiels, eigentlich ein Gute-Laune-Event im Kanzler-Kalender, ausgepfiffen worden ist, scheint bei Scholz angekommen zu sein, dass er kommunikativ einen anderen Gang einlegen muss.

Zuletzt machte Scholz den Eindruck, als wolle er seinen Stil im öffentlichen Auftreten ändern. Das erwähnte Interview ist ein Beispiel, seine Auftritte und Videobotschaften anlässlich der bundesweiten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus ebenso.

Auch die SPD wünscht sich von Scholz mehr Kommunikation

Einen „kommunikativ offensiveren“ Kanzler erkennt man in der SPD bereits. Zwar nahmen viele Genossen Scholz immer wieder in Schutz: „Dass Olaf vom Temperament her kein Südamerikaner ist, haben wir immer gewusst.“ Aber auch aus den eigenen Reihen hat Scholz deutlich zu hören bekommen, dass er seine Kommunikation ändern müsse, wenn die Legislaturperiode und die nächste Bundestagswahl nicht in einem Inferno enden sollen.

Nun muss sich zeigen, ob die guten Vorsätze des Kanzlers von Dauer sind. Dass er noch zum Südamerikaner wird, erwartet ja keiner.

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