Berlin. Im Bundestag nehmen Kanzler und CDU-Chef die größten Hämmer – und holen zum Rundumschlag aus. Um den Haushalt geht es nur am Rande.

Zumindest eins haben Olaf Scholz und Friedrich Merz an diesem Tag gemeinsam. Sie brauchen ein paar Minuten, um in Fahrt zu kommen in dieser Generaldebatte im Bundestag. Beim Kanzler sind es gut acht Minuten, dann richtet er sich an den Oppositionsführer: „Was hat Ihr politisches Programm mit der Zukunft Deutschlands zu tun? Nichts!“, ruft der Kanzler ins Plenum. Ökonomischer Sachverstand bei Merz? „Null“, beantwortet Scholz seine Frage selbst. Und dann bescheinigt er Merz, der Union und ihrem Programm: „Keine Perspektive für Deutschland.“

Die Abgeordneten der Ampelkoalition klatschen. Sie freuen sich über einen Kanzler, der aus sich herauskommt. Das Image des Kanzlers als dröger, aber visierter Regierungsfachmann hatte auch in der eigenen Koalition durch das Haushaltsfiasko mehr als nur einen Kratzer bekommen. Die gespensterhafte Kommunikation rund um diese Regierungskrise sorgte in der Ampel und ganz besonders in der SPD für noch mehr Beunruhigung.

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Dann passierte etwas, was manche nicht mehr für möglich gehalten hätten. Der Kanzler signalisierte: Ich habe verstanden. Nicht nur gelobte er vor der SPD-Bundestagsfraktion Besserung, in einem Interview ließ Scholz auch Selbstkritik erkennen. Die Rede im Bundestag kann als weiteres Indiz gedeutet werden, dass der Kanzler erkennbar um seine Regierung kämpft. Eine ganz wichtige Rolle spielt dabei: Friedrich Merz.

Bundestag: Merz startet zunächst staatsmännisch

Dem CDU-Chef muss man eins lassen: Niemand anderem gelingt es so zuverlässig, das chronisch unruhige Ampel-Bündnis zu einen. Merz hatte die Koalitionspartner bereits vor der Generaldebatte im Bundestag mit dem Vorwurf aufgebracht, die Wahlrechtsreform der Ampel-Partner sei eine „Wahlmanipulation“.

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In der Debatte über den Einzelplan 04, den Etat des Bundeskanzlers und Bundeskanzleramtes, startet Merz zunächst staatsmännisch. Nach dem bewegenden Holocaust-Gedenken am Morgen im Bundestag zur Tagesordnung überzugehen, falle ihm schwer, sagt der Chef der CDU/CSU-Fraktion. Als Oppositionsführer darf er die traditionell für eine Debatte über die Regierungspolitik genutzte Generalaussprache eröffnen.

Stimmung kommt erst auf, als Merz zunächst das Bürgergeld der Ampel und dann die Koalition selbst aufs Korn nimmt. Die SPD sei einmal die Partei der Arbeitnehmer gewesen, sagt Merz an die Sozialdemokraten gerichtet. „Sie sind heute eine Partei der subventionierten Arbeitslosigkeit geworden.“ Wütende Zwischenrufe von der SPD.

„Im letzten Loch“: CDU-Chef lädt zu einem „Gedankenspiel“ ein

Dann kommt Merz auf den Haushalt 2024 zu sprechen. Die Union sei in allen wesentlichen Fragen der aktuellen Politik „vollkommen anderer Meinung“ als die Ampel, deswegen habe die Union sich an den Haushaltsberatungen gar nicht erst aktiv beteiligt. „Wenn Sie die Jacke unten falsch einknüpfen, diskutieren wir nicht mit Ihnen, wie groß der Knopf oben im letzten Loch sein sollte“, sagt Merz. Gelächter bei der Ampel.

Dann gerät Merz in Fahrt: Angebote der Union zur Zusammenarbeit weise die Koalition zurück, sie regiere „kaltschnäuzig und rücksichtslos“. Mit einer Unterstützung bei Grundgesetzänderungen, etwa für eine Reform der Schuldenbremse, brauche die Koalition nicht zu rechnen.

Merz lädt dann ein zu einem „Gedankenspiel“: Wenn es eine Regierung gäbe, die „mittelmäßig gut regieren würde“, die Ansprüche seien da ja gar nicht so groß, stichelt er, könne sich dann jemand im Plenum vorstellen, dass die AfD innerhalb von zwei Jahren von 10 auf 20 Prozent Zuspruch angewachsen wäre? Das Gegenmittel sei, gut zu regieren. Aber davon sei die Regierung weit entfernt: Die Migration zum Beispiel bekomme die Scholz-Regierung nicht in den Griff.

Merz holt immer wieder den größten Hammer hervor

Wenn Merz die Koalition kritisiert, holt er – ganz der Oppositionsführer – aus seinem Werkzeugkasten immer wieder den größten Hammer hervor. Diese impulsive Wortwahl ist es, die in der SPD die Hoffnung am Leben hält, dass Scholz aus einem Kanzlerduell mit dem Sauerländer als Sieger hervorgehen kann. Merz‘ bisweilen aggressive und rhetorisch grobe Seite kann in der Auseinandersetzung mit Scholz seine größte Schwäche sein. Der Kanzler hat dies erkannt.

Friedrich Merz (r.) lässt kein gutes Haar an der Ampel.
Friedrich Merz (r.) lässt kein gutes Haar an der Ampel. © AFP | Tobias Schwarz

Schon in der Vergangenheit war es am ehesten Merz, der es in Parlamentsdebatten schaffte, Scholz aus der Reserve zu locken. So auch dieses Mal. Der Kanzler geht zu Beginn seiner Rede zunächst auf die AfD und den Kampf gegen Rechtsextremismus ein. „Wir haben in Deutschland eine Aufgabe vor unserer Geschichte“, beschwört Scholz den Zusammenhalt der Demokraten.

„So eine Hasenfüßigkeit habe ich noch nie erlebt, Herr Merz“

Womit er schnell bei Merz ist. Der habe nur scheinbar eine Zusammenarbeit der Union in der Migrationspolitik angeboten, dann aber gekniffen. „So eine Hasenfüßigkeit, vor der eigenen Verantwortung davonzulaufen, das habe ich noch nie erlebt, Herr Merz“, greift der Kanzler den Kontrahenten an. Merz habe gar keine Lösung zur gemeinsamen Eindämmung der Migration gewollt, denn sonst hätte er gar keinen Grund mehr für seine Kritik an der Ampel gehabt.

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Nun hat Scholz sich in Rage geredet. Immer wieder attackiere Merz die Regierung, auch „schwer unter der Gürtellinie“, wirft Scholz ihm vor. Das sei zwar sein gutes Recht als Oppositionsführer. „Aber wenn sie dann mal kritisiert werden“, fügt der Kanzler hinzu, „dann sind sie eine Mimose.“ Schließlich wird es sportlich: „Ich finde, wer boxt, der soll kein Glaskinn haben. Aber Sie haben ein ganz schönes Glaskinn, Herr Merz“, spottet Scholz. Empörung bei der Union. Auf dem Zettel stand eine Debatte über den Haushalt. Aufgeführt wurde ein Kampf ums Kanzleramt.