Berlin. Der Verfassungsschutz stuft die Junge Alternative als „gesichert rechtsextremistisch“ ein. Wie radikal ist der AfD-Nachwuchs wirklich?

  • Die Junge Alternative (JA) ist die Jugendorganisation der sogenannten Alternative für Deutschland
  • Inzwischen wird die AfD-Gruppierung vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft
  • Was will sie erreichen? Wer sind bekannte Mitlieder? Die Infos im Überlick

Anna Leisten ist die einzige Frau im aktuellen Bundesvorstand der Jungen Alternative (JA), der Jugendorganisation der AfD. Doch an Radikalität übertrifft sie die meisten der Männer um sie herum. Bei Aufmärschen der JA gibt sie die Einpeitscherin, ihr Vokabular enthält alle Schlagworte des Rechtsextremismus. Ein Foto auf ihrem Instagram-Kanal zeigt die 23-Jährige, wie sie im Schlamm unter einem Stacheldrahtzaun hindurch robbt. „Trainingslager Ostfront 2025“ hat Leisten neben das Foto geschrieben.

Ein anderes Bild zeigt sie neben dem Autor Paul Klemm vom rechtsextremen Compact Magazin. Beide lächeln in die Kamera und spreizen die Finger zum „White Power“-Symbol. Die Geste war sogar dem Brandenburger AfD-Landesverband, dessen Mitglied Leisten ist, zu extrem. Leisten wurde abgemahnt, was ihrer Karriere bei der Jungen Alternative jedoch keinen Abbruch getan hat.

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Junge Alternative: Frauen haben Seltenheitswert

Frauen wie Anna Leisten sind die Aushängeschilder der rechtsextremen AfD-Jugendorganisation. Sie sollen andere junge Frauen zur Nachwuchsorganisation locken, denn die haben in der Männerdomäne JA Seltenheitswert. 2100 Mitglieder zählt die Junge Alternative bundesweit (Stand: Mai 2023).

Das mag wenig erscheinen im Vergleich zum Parteinachwuchs von CDU oder den Grünen. Die Junge Union hat aktuell etwa 91.000 Mitglieder, die Grüne Jugend immerhin 16.000. Trotzdem zieht die JA trotz ihrer rechtsextremen Positionen weiter junge Menschen an. Oder gerade deswegen.

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Als die JA gegründet wurde, war die AfD noch eine andere Partei

Gegründet wurde die Junge Alternative im Juni 2013 in Darmstadt. Damals war die AfD noch eine andere Partei. Bundessprecher war der Hamburger Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke, als dessen radikalste Äußerung der Satz überliefert ist, die Einführung des Euro sei ein „historischer Fehler“ gewesen.

Erster Vorsitzender der Jungen Alternative wurde ein Würzburger Marketing-Fachmann namens Torsten Heinrich. Nach seiner Wahl warf ihm die unterlegene Konkurrentin vor, „nationalistische Positionen“ zu vertreten. Heinrich konnte sich dies damals nach eigenen Angaben „nicht erklären“. Heute wirkt ein solcher Vorwurf an einen JA-Bundesvorsitzenden beinahe komisch.

Nicht verwunderlich, dass Heinrich nicht lange Vorsitzender blieb. Im Februar 2014 legte er sein Amt nieder, im März trat er auch aus der AfD aus. Mittlerweile lebt Heinrich in Panama und betreibt von dort hauptberuflich einen YouTube-Kanal zu militärgeschichtlichen Themen mit knapp 150.000 Abonnenten.

Junge Alternative ist zum Karrieresprungbrett geworden

Wer es heute in der Jungen Alternative zu etwa bringen will, muss anders auftreten als Heinrich und anders reden. Der aktuelle Vorsitzende der JA heißt Hannes Gnauck. Er ist ehemaliger Zeitsoldat mit militärischem Kurzhaarschnitt und stramm rechtsextremer Gesinnung. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) hat Gnauck schon 2021 als Extremist eingestuft. Er ist vom Dienst freigestellt, eine Kaserne darf er nicht mehr betreten.

Hannes Gnauck ist Vorsitzender der Jungen Alternative, die vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft wird.
Hannes Gnauck ist Vorsitzender der Jungen Alternative, die vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft wird. © picture alliance/dpa | Fabian Sommer

Dafür sitzt der 32-Jährige jetzt für die AfD im Bundestag. Als Mitarbeiter stellte Gnauck den JA-Mann Marvin T. Neumann ein. Neumann hatte in sozialen Netzwerken die These verbreitet, dass Menschen mit schwarzer Hautfarbe niemals Deutsche werden könnten. Das fand sogar die AfD zu extrem. Neumann trat aus der Partei aus, nicht aber aus der Jungen Alternative.

AfD-Nachwuchs in Teilen radikaler als die Partei selbst

Der Nachwuchs vertritt zu großen Teilen Positionen, die auch die AfD teilt, ist in einigen Punkten jedoch noch radikaler. Die JA setzt auf einen völkisch-ethnischen Volksbegriff, der Menschen mit Migrationshintergrund von Vornherein ausschließt. Ihre „massive ausländer-, islam- und muslimfeindliche Agitation“ verstößt nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Köln gegen die Menschenwürde. Zudem vertritt die JA antifeministische und queerfeindliche Positionen. Abweichungen vom traditionellen Familienbild von Vater-Mutter-Kind duldet sie nicht. In der Klimapolitik hat die JA dagegen eine Kehrtwende vollzogen. Der menschengemachte Klimawandel wird nicht mehr geleugnet. Allerdings wendet sich die Junge Alternative strikt gegen eine Abkehr von fossilen Energieträgern.

Die Gruppierung ist in den vergangenen Jahren zu einem Karrieresprungbrett geworden, wobei manche ihrer Vertreter bisweilen selbst AfD-Hardliner in den Schatten stellen. Zwei Beispiele aus Bayern: Franz Schmid ist ein adrett gescheitelter junger Mann aus Augsburg. In einem Beitrag von Spiegel TV wirkt der staatlich geprüfte Kinderpfleger vor der Kamera zurückhaltend, geradezu schüchtern. Schmid, gerade 23 Jahre alt, wurde im Oktober 2023 als Abgeordneter in den Bayerischen Landtag gewählt. Er ist zudem seit 2022 Bundesschatzmeister der Jungen Alternative.

ParteiAlternative für Deutschland (AfD)
Gründung6. Februar 2013
IdeologieRechtspopulismus, Nationalkonservatismus, EU-Skepsis
VorsitzendeTino Chrupalla und Alice Weidel (Stand: April 2023)
Fraktionsstärke83 Abgeordnete im Bundestag (Stand: April 2023)
Bekannte MitgliederJörg Meuthen (ehemals), Alexander Gauland, Björn Höcke

Dem Bayerischen Rundfunk liegen nach eigenen Angaben Fotos vor, die Schmid im Landtag mit Mitgliedern der rechtsextremen Identitären Bewegung zeigen. Seit 2016 gibt es einen Unvereinbarkeitsbeschluss. JA-Mitglieder dürfen demzufolge nicht bei den Identitären mitmischen. Sprecher des österreichischen Ablegers der IB war bis 2023 ein gewisser Martin Sellner, der im November 2023 bei einem Geheimtreffen in der Villa Adlon am Lehnitzsee seine steilen Thesen zur sogenannten „Remigration“ vortrug.

Viele JA-Mitglieder auch in rechten Burschenschaften aktiv

Das zweite Beispiel aus Bayern zeigt eine weitere Verflechtung von Mitgliedern der Jungen Alternative ins rechtsextreme Milieu. Daniel Halemba zog 2023 als jüngster Abgeordneter ebenfalls in den Landtag ein. Mittlerweile laufen gegen den 22-Jährigen Ermittlungen, unter anderem wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung. Die AfD hat Halemba aufgefordert, sein Mandat niederzulegen. Der Jurastudent ist Mitglied der rechtsextremen Burschenschaft Teutonia Prag in Würzburg.

Daniel Halemba wurde für die AfD in den Bayerischen Landtag gewählt. Sein Mandat soll er nun zurückgeben.
Daniel Halemba wurde für die AfD in den Bayerischen Landtag gewählt. Sein Mandat soll er nun zurückgeben. © Sven Hoppe/dpa | Unbekannt

Im Gästebuch der Verbindung soll sich ein Eintrag Halembas mit den Worten „Sieg Heil“ befinden. Die Staatsanwaltschaft Würzburg hat es beschlagnahmt. Halemba bestreitet, Verfasser des Eintrags zu sein.

Halemba ist bei Weitem nicht der einzige Burschenschaftler in der Jungen Alternative. Beispiel Berlin. Mit Martin Kohler hat der Landesverband in der Hauptstadt einen Vorsitzenden, der mutmaßlich der rechten Burschenschaft Gothia angehört. Das Verbindungshaus in Zehlendorf gilt als Treffpunkt von Mitgliedern der Neuen Rechten.

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Alter Herr der Burschenschaft ist wiederum Peter Kurth, von 1999 bis 2001 für die CDU Finanzsenator in Berlin und laut Recherchen des ARD-Magazins „Monitor“ zuletzt finanzieller Unterstützer eines Vereins der Identitären Bewegung. In Kurths Wohnung in Berlin-Mitte fand zudem im Juli 2023 ein privates Treffen von Rechtsextremen statt. Unter den Teilnehmern waren nach Informationen des „Spiegel“ mindestens sieben AfD-Politiker sowie führende Mitglieder der Identitären Bewegung.