Athen. Steuerhinterziehung ist in Griechenland ein Volkssport. Um Steuersünder zu überführen, setzt der Fiskus jetzt auf neue Strategien.

Um als Händler auf einem griechischen Wochenmarkt erfolgreich zu sein, hilft eine starke Stimme, mit der man seine Ware anpreist. Außerdem muss man geschickt sein beim Abwiegen und im Umgang mit dem Wechselgeld. Seit Jahresbeginn braucht man noch etwas: ein mobiles Terminal für Kartenzahlungen, kurz POS genannt. Damit kann nun die Kundschaft Kartoffeln und Bohnen bargeldlos bezahlen.

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    Das freut den griechischen Finanzminister, denn Kartenzahlungen kann der Fiskus nachverfolgen. Bisher läuft auf den Wochenmärkten viel Geld an den Büchern vorbei. Manche Händler stecken die Mehrwertsteuer in die eigene Tasche und zahlen auch keine Einkommensteuer. Markthändler, Schuster und Schneider sind drei von 35 Berufsgruppen, die seit Anfang des Jahres bargeldlose Zahlungen annehmen müssen.

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    Die Steuerhinterziehung ist ein chronisches Problem in Griechenland. Sie gilt als eine der Ursachen der Staatsschuldenkrise der 2010er Jahre. Eine Studie der griechischen Eurobank beziffert den Umfang der Schattenwirtschaft auf bis zu 30 Prozent des offiziell ermittelten Bruttoinlandsprodukts (BIP). Allein bei der Mehrwertsteuer gingen dem griechischen Fiskus 2021 nach einer Schätzung der EU-Kommission 3,2 Milliarden Euro durch die Lappen. Das entsprach fast einem Fünftel der fälligen Abgaben. Noch viel größer sind die Einbußen bei der Einkommensteuer. Sie werden auf zwölf Milliarden Euro geschätzt.

    Griechenland: Finanzminister nimmt besonders eine Gruppe ins Visier

    Mit einem neuen Steuergesetz, das zum 1. Januar in Kraft getreten ist, nimmt der Finanzminister jetzt vor allem die Selbständigen aufs Korn. In Griechenland ist ihr Anteil an den Erwerbstätigen mit 27,3 Prozent doppelt so hoch wie im EU-Durchschnitt mit 13,8 Prozent. Aber während die Selbständigen in der Euro-Zone 5,2 Prozent der Steuereinnahmen aufbringen, sind es in Griechenland nur 2,1 Prozent. Handwerker und Händler, Ärzte und Anwälte gelten als Champions der Steuerhinterziehung.

    Griechenlands Finanzminister Kostis Hatzidakis will härter gegen Steuerhinterziehung vorgehen. Seit dem ersten Januar gibt es deshalb ein neues Steuergesetz.
    Griechenlands Finanzminister Kostis Hatzidakis will härter gegen Steuerhinterziehung vorgehen. Seit dem ersten Januar gibt es deshalb ein neues Steuergesetz. © picture alliance / ANE / Eurokinissi | Giorgos Kontarinis / Eurokinissi

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    Der Klempner kann zwar mit der Rohrzange umgehen, aber mit dem Ausstellen einer Quittung tut er sich schwer. Und wer auf einem Beleg besteht, riskiert, dass der Handwerker beim nächsten Mal gar nicht erst kommt. Auch beim Arzt scheuen sich viele, nach einer Quittung zu fragen. Man braucht den Doktor und will ihn nicht verstimmen.

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    Fünf von zehn griechischen Selbständigen meldeten dem Finanzamt 2022 Verluste oder null Gewinn. Sie zahlten infolgedessen keine Einkommensteuer. Die restlichen deklarierten Gewinne, die oft weit unter der Armutsgrenze liegen: Die griechischen Taxibesitzer meldeten 2022 dem Fiskus im Durchschnitt Gewinne von 307,70 Euro im Monat, Klempner 500 und Elektriker 574 Euro. Friseure kommen nur auf durchschnittlich 162 Euro.

    Griechenland: Auf diese Waffe setzen die Ermittler vom Fiskus

    Das neue Gesetz sieht vor, dass Selbständige ein mutmaßliches Mindesteinkommen versteuern müssen. Es beläuft sich je nach Tätigkeit und Berufsjahren auf 10.920 bis 14.196 Euro im Jahr. Wer das vom Fiskus unterstellte fiktive Einkommen nicht akzeptiert und darauf beharrt, dass er weniger verdient, muss eine Steuerprüfung über sich ergehen lassen.

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    Eine wichtige Waffe im Kampf gegen die Steuerhinterziehung soll künftig die künstliche Intelligenz (KI) sein. Giorgos Pitsilis, Chef der Unabhängigen Behörde für Öffentliche Einnahmen (AADE), will damit Risikoprofile erstellen, die Hinweise auf die Wahrscheinlichkeit von Steuerverstößen liefern. Künstliche Intelligenz soll zum Beispiel helfen, „ungewöhnliche Transaktionen und dynamische Beziehungen zwischen Steuerzahlern zu erkennen“, so Pitsilis. Diese Daten sollen dann gezielte Steuerprüfungen ermöglichen.

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    Der Fiskus will künstliche Intelligenz überdies nutzen, um mit Daten aus externen Quellen wie sozialen Medien Diskrepanzen zwischen dem gemeldeten Einkommen und dem Lebensstil aufzuspüren. Wer in Griechenland bei Instagram Schnappschüsse vom Urlaub auf den Seychellen, Bilder von seinem oder Selfies am eigenen Pool präsentiert, sollte künftig darauf achten, ob das zu seiner Steuererklärung passt.