Berlin. Atomkraftwerke bergen Risiken, sind aber weitestgehend CO2-neutral. Nun werden sie abgeschaltet – und die Klimabewegung ist gespalten.

Der russische Einmarsch in die Ukraine wirft alte Gewissheiten über Bord: Denn nicht nur ein grüner Wirtschaftsminister verkündet plötzlich den Weiterbetrieb von Kohlekraftwerken. Auch die Ikone der Klimabewegung, Greta Thunberg, sprang im Oktober des vergangenen Jahres plötzlich für die Technologie in die Bresche, durch deren Ablehnung die Umweltbewegung der 1980er Jahre eigentlich groß geworden war: die Atomkraft.

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„Wenn sie schon laufen, glaube ich, dass es ein Fehler wäre, sie abzuschalten und sich der Kohle zuzuwenden“, sagte die schwedische Fridays for Future-Gründerin damals im deutschen Fernsehen in der Sendung Maischberger und plädierte damit für einen Weiterbetrieb der Atomkraftwerke. Demnach sei es „eine schlechte Idee“, auf Kohle zu setzen, solange „das Andere“ noch existiere.

Fridays for Future befürwortet Atom-Ausstieg

Die Frage, wie mit der zwar gefährlichen, jedoch weitestgehend CO2-neutralen Technologie umzugehen ist, wird wohl am Samstag final entschieden sein. Dann gehen die restlichen drei Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz. „Es ist aus vielen Gründen insgesamt eine richtige Entscheidung, aus der Atomkraft auszusteigen”, sagt Pauline Brünger, Sprecherin von Fridays for Future, dieser Redaktion. „Aus einer Klima-Perspektive ist vor allen Dingen wichtig, dass der Ausbau der Erneuerbaren vorangeht, wir unsere Kapazitäten und Ressourcen dort fokussieren.“

Pauline Brünger, Fridays for Future-Sprecherin.
Pauline Brünger, Fridays for Future-Sprecherin. © picture alliance/dpa | Jörg Carstensen

Da sich Atomkraftwerke nicht flexibel an- und abschalten ließen, sei die Technologie neben Erneuerbaren Energien nicht geeignet. Außerdem sei sie eine Hochrisikotechnologie und sehr kostenintensiv: „Alle Kapazitäten und alle Ressourcen, die wir da reinstecken, die fehlen dort, wo Erneuerbare auszubauen sind“, so die Sprecherin. „Wenn man sich Erneuerbare und Atomkraft im Vergleich anguckt, dann gibt es kein Argument, was für Atomkraft spricht.”

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Entsprechend sieht die Bewegung zum jetzigen Zeitpunkt eine Scheindebatte. „Das ist eine Frage, die man sich vielleicht vor zehn Jahren hätte stellen müssen“, so Brünger. Auch habe sich Fridays for Future nie prominent gegen eine kurzfristige Laufzeitverlängerung ausgesprochen. Jedoch dürften jetzt keine Gelder mehr in diese Technologie investiert werden.

Radikale Klimabewegungen prangern „das wirtschaftliche System“ an

Andere Klimabewegungen lassen sich auf deutliche Aussagen nicht festlegen. Die Gruppe Extinction Rebellion etwa bleibt vage, hat „eher eine allgemeinere Meinung zu der Energieförderung in Deutschland“, wie Sprecher Florian Zander dieser Redaktion sagt. „Ich möchte das nicht auf eine Energieform runterbrechen, sondern eher das wirtschaftliche System anprangern.“ Die Gruppe fordert Bürgerräte, die Debatten über Energiekrisen führe, „anstelle, dass es über Lobbyismus oder Großkonzerne passiert.“

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Während Fridays for Future mit Klimastreiks weltweit für grüne Politik mobilisiert, greifen Gruppen wie Extinction Rebellion oder die „Letzte Generation“ zu deutlich radikaleren Mitteln: Die „Letzte Generation“ beschmierte zuletzt die FDP-Parteizentrale in Berlin mit einer ölähnlichen Flüssigkeit. Derweilen ruft Extinction Rebellion zum „zivilen Ungehorsam“ auf, zündeten etwa im Rahmen ihrer „Frühlings-Rebellion“ Rauchbomben auf dem Balkon des Berliner Luxushotels Adlon.