Berlin. Mindestens 270 Millionen rote und grüne Warnungen versendete die Corona-Warn-App. Nun wird sie in einen Ruhemodus versetzt.

Mehr als 48,6 Millionen Mal wurde die Corona-Warn-App seit ihrem Start am 16. Juni 2020 heruntergeladen. Nun ist die App aus den Appstores von Google und Apple verschwunden – vorerst zumindest. Aufgrund der hohen Immunität in der Bevölkerung und der Rückkehr zum Leben ohne Corona-Maßnahmen ist die Anwendung mittlerweile nutzlos geworden.

Tatsächlich warnte die App allerdings schon seit dem 1. Mai nicht mehr: Zu diesem Zeitpunkt wurde die bis dahin wichtigste Funktion der App eingestellt. Ab Juni wird nun die gesamte Anwendung in einen "Ruhemodus" versetzt und nicht mehr weiterentwickelt.

Corona-Warn-App: Insgesamt mehr als 48,6 Millionen Downloads

Die App nutzte Bluetooth-Signale, um zu ermitteln, ob und wie lange die Smartphones ihrer Nutzerinnen und Nutzer einander nahegekommen waren. Im Falle einer Corona-Infektion konnte das positive Ergebnis in der App geteilt und damit andere Personen, die sich in der Nähe aufgehalten hatten, gewarnt werden. Gab es eine Risikobegegnung, erschien bei den betroffenen Anwenderinnen und Anwender dann die berühmte rote Warnkachel.

Die Nutzungsbilanz der App ist positiv: Allein 2022 konnte die Anwendung Schätzungen zufolge mindestens 25 Millionen aktive Nutzerinnen und Nutzer verzeichnen, zu Hochzeiten der Pandemie könnten es laut Robert Koch-Institut (RKI) sogar 33 Millionen gewesen sein. Die Zahl der Downloads liegt mit 48,6 Millionen noch einmal höher. Das lässt sich dadurch erklären, dass zahlreiche Anwenderinnen und Anwender die App, etwa bei einem Handywechsel, mehrfach installiert oder zwischenzeitlich gelöscht und anschließend neu heruntergeladen hatten. Dennoch blieb die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer knapp hinter den Erwartungen der Bundesregierung zurück – die hatte sich erhofft, dass bis zu 60 Prozent der Bevölkerung, also rund 50 Millionen Bürgerinnen und Bürger, die Anwendung verwenden würden.

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Kosten für Corona-Warn-App belaufen sich auf mindestens 223 Millionen Euro

Bis Ende April dieses Jahres wurden außerdem insgesamt mehr als 240 Millionen Testergebnisse über die App bereitgestellt – zu Spitzenzeiten Anfang 2022 waren es mehr als eine Million pro Tag. Rund zwölf Millionen Mal teilten Nutzer und Nutzerinnen außerdem ein positives Testergebnis über die App, wodurch insgesamt mindestens 270 Millionen rote und grüne Risikowarnungen ausgelöst wurden. Die tatsächliche Zahl der Warnungen dürfte noch einmal höher liegen, weil nur die Daten derjenigen Anwenderinnen und Anwender erfasst wurden, die dem freiwilligen Teilen der Informationen zugestimmt hatten.

Allerdings war nicht nur die Zahl derjenigen hoch, die die App nutzten, sondern auch die Kosten – denn am Ende war die Corona-Warn-App deutlich teurer als geplant. Ursprünglich hatte die Bundesregierung bis Ende 2021 rund 68 Millionen Euro veranschlagt – letztendlich kostete die App wohl jedoch mindestens 223 Millionen Euro. Auch wenn die finale Kostenauswertung noch aussteht, mit 223 Millionen Euro käme die App theoretisch auf einen Preis von rund 18 Euro pro geteiltem positiven Testergebnis.

Amtsärzte-Chef bezeichnet App als "wichtiges Tool im Management der Pandemie"

Die hohen Ausgaben für die App gehören bis heute zu den größten Kritikpunkten. Der Bundesrechnungshof kündigte 2022 ein Prüfverfahren an, das noch nicht abgeschlossen wurde. Auch der gesundheitspolitische Sprecher der FDP, Andrew Ullmann, forderte kürzlich, man müsse sich am Ende die Frage stellen, ob die Kosten im Verhältnis zum Nutzen der App ständen. Aus anderen Parteien kommt ein positiveres Fazit: "Die Corona-Warn-App war in der Pandemiebekämpfung ein entscheidendes Instrument um Infektionsketten frühzeitig aufzudecken und damit zu verkürzen", sagt etwa der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Janosch Dahmen. Sie habe durch die Verhinderung von vermeidbaren Infektionen sprichwörtlich Leben gerettet.

Die Frage, wie viel die App tatsächlich zur Eindämmung des Infektionsgeschehens beigetragen hat, ist bisher tatsächlich noch offen. Eine aktuelle Evaluation sei noch in Arbeit, heißt es vom RKI. Eine Auswertung, die im November veröffentlicht wurde, zeigte jedoch einen deutlichen Zusammenhang zwischen einer roten Warnung und einem höheren Infektionsrisiko. Demnach lag die Zahl derer, die nach einer roten Warnung positiv getestet wurden, immer höher als die derjenigen mit einer grünen Warnkachel. "Die Corona-Warn-App war aus meiner Sicht ein modernes und wichtiges Tool im Management der Pandemie", sagt auch der Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD), Johannes Nießen. Die Anwendung habe zu einer verstärkten Testbereitschaft und zu einem umsichtigeren Verhalten gegenüber gefährdeten Personen geführt.

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Digitale Kontaktverfolgung könnte auch in Zukunft wichtig werden

Auch andere Experten stellen der App ein grundsätzlich positives Zeugnis aus. Die App sei "überraschend gut" in der Bevölkerung aufgenommen worden, sagt etwa Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie. Auch wenn es bisher kaum belastbare Daten gebe, gehe eine Modellierungsstudie "von mehr als 1,4 Millionen verhinderten Infektionen und gut 17.000 verhinderten Krankenhausaufenthalten aus". Kritisch sieht er vor allem, dass es keine direkte Verbindung zwischen der App und den Gesundheitsämtern gegeben habe. Insgesamt sei jedoch klar, "dass digitale Anwendungen wie eine solche Informations- und Kontaktverfolgungsapp zukünftig zum Standardrepertoire bei der Kontrolle von Epidemien gehören werden", so Zeeb. Das sieht Nießen ähnlich: Die Nutzung digitaler Tools sei bei der Bewältigung von Epidemien und Pandemien nicht mehr wegzudenken. "Von daher sollte die App unbedingt auch beibehalten und auf andere Infektionsgeschehen ausgeweitet werden", sagt der Amtsärzte-Chef.

Auch vom Bundesgesundheitsministerium heißt es, die App könnte jederzeit wieder reaktiviert werden, wenn sich das Infektionsgeschehen verändern sollte. Ein Grund, die Corona-Warn-App direkt vom Smartphone zu löschen, ist das vorläufige Ende deshalb nicht.