Erfurt. Mit was Rot-Rot-Grün und CDU sich bis zur verschobenen Neuwahl in Thüringen beschäftigen wollen.

Wie soll nun der neue Vertrag heißen? „Stabilitätsvereinbarung 2.0.“, wie es die Linke-Fraktionsvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow sagt? Oder „Corona-Pakt“, wie es CDU-Fraktionschef Mario Voigt will? Oder noch anders? „Mir ist das völlig wurscht“, sagt ihr SPD-Amtskollege Matthias Hey. „Von mir aus können wir das Ding auch Mumpelfratz nennen.“ Hauptsache, es werde vernünftig zusammengearbeitet.

Doch für die Union ist die Bezeichnung ein Politikum. Sie will nicht, dass das Abkommen auch nur ansatzweise danach klingt, was es im Kern ist: die Duldung einer linke-geführten Minderheitsregierung. Immerhin schließt ja der Unvereinbarkeitsbeschluss der Bundes-CDU eine solche Kooperation explizit aus.

Der Name wirkt besonders symbolträchtig, da das einmalige Experiment, das nach der kurzen Amtszeit von Ministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP) begann, verlängert werden muss. Nachdem sich die vier unfreiwilligen Partner zuletzt pandemiegedrungen darauf einigten, den Neuwahltermin vom 25. April auf den Bundestagswahlsonntag am 26. September zu verlegen, sind noch die Bedingungen zu besprechen. Bis Ende Januar soll die neue Vereinbarung stehen.

Die Wunschliste der Union ist lang, die Finanzierung unklar

Am Mittwochabend trafen sich die Beteiligten, um sich erst einmal gegenseitig ihre Forderungen mitzuteilen. Die CDU hat intern eine lange Liste vorbereitet, die Fraktionschef Mario Voigt schon in der Parlamentsdebatte ansprach.

Er verlangte eine neue Impfstrategie, mehr digitale Geräte an den Schulen und einen Fonds, mit dem das Land bei den verspäteten Bundeshilfen an die Unternehmen in Vorleistung geht. Auch auf der CDU-Wunschliste: die seit Längerem geplante Reform des kommunalen Finanzausgleichs.

Unterm Strich soll damit pro Jahr 200 Millionen Euro mehr für die Landkreise, Städte und Gemeinden herauskommen, und das am besten noch vor der Wahl. Doch hier gibt es ein Problem. So haben die Vier erst kürzlich den Haushalt für 2021 verabschiedet, was alle Ausgaben bis zur Wahl festzurrt.

Gleichzeitig wurden eigens auf Druck der Union alle Rücklagen geleert, um die Neuverschuldung auf rund 1,5 Milliarden Euro zu drücken. Woher also das Geld nehmen? Ein zweiter Nachtragsetat mit zusätzlichen Krediten will die CDU vermeiden, die sich ungeachtet ihrer bei diesem Thema sehr gemischten Bilanz als Anti-Schulden-Partei sieht. Außerdem sind hier die Schuldenbremsen in der Haushaltsordnung und im Grundgesetz vor.

Einzige Hoffnung bleibt der bald fällige Etatabschluss für das vergangenen Jahr – der, so paradox dies klingen mag, einen Überschuss verspricht. Auch wenn für 2020 sogar nachträglich Schulden aufgenommen werden mussten, weil die Einnahmen krisenbedingt einbrachen, so dürften wieder Gelder in dreistelliger Millionenhöhe nicht abgeflossen sein. Dies könnte dann über überplanmäßige Ausgaben verteilt werden.

Zwischen Wahlkampf und Haushaltsplanung

Oder auch nicht. Finanzministerin Heike Taubert braucht den Überschuss, um den Etat für 2022 ohne größere Schulden aufstellen zu können. Auch deshalb drängt ihre SPD gemeinsam mit Linken und Grünen die CDU, sich an der Haushaltsplanung zu beteiligen: Nur dank dieser präventiven Kooperation, sagen sie, könnte Thüringen nach Wahl und monatelanger Regierungsbildung noch halbwegs pünktlich zu einem Haushalt kommen.

Die CDU gibt sich skeptisch, ein bisschen Kampf muss ja für den Wahlkampf bleiben. Zudem ist auch ohne Etatkompromiss noch viel abzuarbeiten. Neben der Reform der Verfassung liegen in Ausschüssen des Landtags noch Dutzende Anträge und Gesetze wie die überarbeitete Kommunalordnung.

Die vorläufige Tagesordnung für die Februarsitzung des Parlaments hat bereits jetzt 70 Tagesordnungspunkte, Tendenz steigend. „Schon damit hätten wir bis zum Sommer gut zu tun“, sagt die grüne Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich. Dabei sei ihr egal, ob das Ganze nun „Corona-Pakt“ oder anders heiße. „In dieser Frage bin ich leidenschaftslos.“ Am Dienstag wird weiterverhandelt.