Brüssel. Die EU-Staaten bremsen überraschend bei der Zeitumstellung ab, auch in Deutschland ist alles offen. Peter Altmaier hat aber eine Idee.

Das Ende der halbjährlichen Zeitumstellung in der EU rückt immer weiter in die Ferne: Die EU-Mitgliedstaaten vertagen nach Informationen unserer Redaktion eine Entscheidung über die künftige Regelung zur Sommer- oder Winterzeit erneut und auf unbestimmte Zeit.

„Es scheint, dass die meisten Mitgliedstaaten mehr Zeit benötigen“, heißt es in einem Schreiben der rumänischen Ratspräsidentschaft für das Treffen der zuständigen EU-Verkehrsminister am nächsten Donnerstag in Luxemburg. Die Staaten müssten erst noch auf nationaler Ebene innerhalb ihrer Regierungen, mit Interessengruppen und Bürgern beraten.

Trotz Aufforderung hätten bislang nur wenige Mitgliedsländer ihre Position zum Ende der Zeitumstellung mitgeteilt. Das in dieser Woche verschickte Schreiben liegt unserer Redaktion vor. Im Rat der Verkehrsminister steht das Thema nun gar nicht mehr als eigener Beratungspunkt auf der Tagesordnung – anders als ursprünglich erwartet.

Stattdessen wird die Ministerrunde nur darüber informiert, dass seit der letzten Sitzung im Dezember praktisch keinerlei Fortschritt erzielt wurde. Wird das Aus für das halbjährliche Umstellen der Uhren zur unendlichen Geschichte?

Zeitumstellung: Auch der Plan für 2021 gerät in Gefahr

Die EU-Kommission wollte die Zeitumstellung eigentlich schon in diesem Frühjahr abschaffen. Als feststand, dass dies nicht realisierbar ist, sprach sich das EU-Parlament Ende März für die Abschaffung der Zeitumstellung 2021 aus.

Da schien noch alles klar: Die Abgeordneten hatten erwartet, dass sich der Ministerrat nächste Woche entscheidet und dann nach der Sommerpause eine Verständigung von Parlament und Rat erfolgen könnte – damit wäre die notwendige technische Vorlaufzeit, die Experten vor allem für den Flug- und Bahnverkehr auf bis zu 18 Monate taxieren, gewährleistet.

Doch mit dem Zögern der Mitgliedstaaten gerät auch dieser Terminplan in Gefahr; ihre Verhandlungsposition werden die Regierungen jetzt frühestens Ende des Jahres festzurren, dann ist die nächste reguläre Sitzung des EU-Verkehrsministerrats. Es kann aber auch länger dauern. EU-Diplomaten in Brüssel sind inzwischen skeptisch: „Hier herrscht praktisch Stillstand“, berichtet ein Beteiligter unserer Redaktion. In Ratskreisen heißt es: „Einige Mitgliedstaaten wollen das Thema am liebsten langsam und leise beerdigen“.

Darum tun sich die EU-Staaten so schwer

Das Problem: Wesentlich schwieriger als eine gemeinsame Beendigung des Zeitwechsels ist die von jedem Mitgliedstaat zu treffende Festlegung, ob auf seinem Territorium künftig dauerhaft Sommer- und Winterzeit gelten soll. Wäre dauerhaft Sommerzeit die Standardzeit, so wie es viele Bürger etwa in Deutschland erhoffen, wäre es zum Beispiel in Spanien im Winter bis kurz vor zehn Uhr morgens dunkel.

Andererseits fürchten viele Regierungen ein Chaos unterschiedlicher Regelungen: Die Mitgliedstaaten drängen weiter auf einen EU-weit harmonisierten und koordinierten Ansatz, um „Zeitzonen-Flickenteppiche zu vermeiden und das reibungslose Funktionieren des EU-Binnenmarktes zu gewährleisten“, schreibt die rumänische Ratspräsidentschaft.

Der juristische Dienst des Rats soll jetzt eine Expertise erarbeiten. Außerdem fordern Deutschland und andere Mitgliedstaaten, dass die EU-Kommission doch noch eine sogenannte „Folgenabschätzung“ zu den Auswirkungen des Zeitumstellungs-Endes vorlegt. Das hat die Kommission bislang aber abgelehnt.

Altmaier-Vorstoß: So klappt es auch mit den Nachbarn

Die Bundesregierung lässt in Brüssel aber nicht locker: Sie halte es für erforderlich, dass eine solche Bewertung „unverzüglich vorgelegt“ wird, schreibt der in Deutschland für das Thema zuständige Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in einem Brief an die Ministerkollegen der Nachbarländer.

Altmaier schlägt den Ministern zugleich die Suche nach einer gemeinsamen Lösung vor und kündigt an, dazu „spätestens nach der Sommerpause“ auf seine Kollegen zuzukommen. „Auch für die Bundesregierung ist die Vermeidung von Zeitinseln und Friktionen im Binnenmarkt von zentraler Bedeutung“, heißt es in dem Brief, der unserer Redaktion vorliegt.

Zwischen unmittelbaren Nachbarn solle es möglichst keine unterschiedlichen Zeitzonen geben. Eine enge Abstimmung, erläutert der Wirtschaftsminister weiter, sei für eine möglichst einheitliche und weitgehend harmonisierte Lösung notwendig.

Die Bundesregierung hat sich Altmaier zufolge noch nicht entschieden, ob in Deutschland künftig dauerhaft Sommer- oder Winterzeit gelten soll. Die endgültige Festlegung soll „im Zuge der weiteren Beratungen und im Lichte der Folgenabschätzung erfolgen.“ Altmaier selbst hatte sich für eine dauerhafte Sommerzeit ausgesprochen, doch werden aus Teilen der Ärzteschaft dagegen Bedenken erhoben.

Vor kurzem äußerte sich Jean-Claude Juncker, die Zeitumstellung würde nicht heißen, dass es einen Flickenteppich gibt. Immer wieder hatte es Warnungen seitens der Industrie gegeben. In Deutschland hatte die Bundesregierung betont, keinen Alleingang zu wollen.