Berlin. Prigoschins Wagner-Gruppe gehen die Söldner aus. Bei der Rekrutierung ist auf die sozialen Netzwerke Verlass: Postings für Lebensmüde.

Sie müssen "im Team" arbeiten können – und das "erfolgsorientiert", na klar. Das klingt wie die Stellenbeschreibung eines 0815-Bürojobs. Doch Jewgeni Wiktorowitsch Prigoschin verlangt von seinen Bewerbern mehr: Todessehnsucht.

Fast seit Kriegsbeginn im Februar 2022 schaltet die Söldnertruppe weltweit Stellenazeigen in sozialen Netzwerken, auf Facebook oder Twitter. Die Posts in mehreren Sprachen, unter anderem Französisch und Spanisch, werden mit der Wagner-Gruppe verlinkt, wie die Forschungsgruppe Logically im Magazin Politico erläutert. Im Klartext: Sie sind ihr auf den ersten Blick nicht direkt zuzuordnen.

Wagner-Gruppe lockt mit einer Lebensversicherung

Der Sold von 2760 Euro im Monat, Boni, Krankenversicherung und die Möglichkeit, "in der ganzen Welt zu arbeiten“, sind vermutlich nicht der größte Anreiz. Die Lebensversicherung schon eher.

Denn der Freund von Kremlchef Wladimir Putin hat zigtausendfach Menschen durch den "Fleischwolf" von Bachmuth gedreht. Der britische Geheimdienst vermutet seit Wochen, dass die russische Söldnertruppe mangels Rekruten im Ukraine-Krieg in Schwierigkeiten kommen würde.

Zehntausende Kämpfer durch den Fleischwolf gedreht

Prigoschins Klagen über fehlende Munition sind bekannt. Darob drohe der "Fleischwolf" sich "in umgekehrter Richtung zu drehen", warnte er mal auf Telegram.

Nun wird zunehmend klar, dass ihm nicht nur Munition fehlt. Prigoschin hat wohl nicht zuletzt mangels Kämpfer regulären Einheiten der russischen Armee erst den Flankenschutz und dann ganz Bachmuth überlassen. Er hat im Kampf um die Stadt schätzungsweise 20.000 Kämpfer verloren.

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Die Rekrutierung von Zehntausenden Häftlingen aus russischen Straflagern ist ausgereizt. Es hat sich herumgesprochen, wie die meisten ihre Heimreise aus der Ukraine angetreten haben: im Sarg. Prigoschin selbst hat seine wütenden Botschaften gegen das russische Establishment schon mal neben Särgen verfasst. Das könnte Sie auch interessieren: Heikles Angebot – Putins Söldner-Chef soll ein Verräter sein

Nach Bachmuth stellt Prigoschin seine Truppe neu auf

Verständlich, dass die weltweit agierende Wagner-Gruppe sich erst einmal personell neu und breit aufstellen muss. Sie sucht nicht allein Kämpfer, sondern auch Fahrer, IT-Experten, Ärzte, Psychologen. Laut Kyle Walter, Forschungschef von Logically, ähneln die Online-Anzeigen früheren Beiträgen von verifizierten Wagner-Konten auf Telegram sowie russischen sozialen Medien. Mindestens zwei angegebene Telefonnummern führten zur Wagner-Gruppe oder zu einem Geheimdienst in Russland.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Insgesamt hat das Forschungsunternehmen laut Politico seit Juli 2022 rund 60 solcher Anzeigen analysiert. Wie viele Leute sich weltweit freiwillig gemeldet haben, ist offen. Aber laut Politico wurden die Anzeigen in den vergangenen zehn Monaten immerhin fast 120.000 Mal auf Facebook und Twitter aufgerufen.

Fraglich ist, ob jeder Bewerber sofort durchschaut hat, für wen und für welche Aufgaben Freiwillige gesucht wurden und ob den sozialen Netzwerken ihrerseits klar war, wen sie wofür eine Plattform boten. "Business Insider" hat bei Twitter angefragt und automatisch eine Antwort bekommen. Allerdings nur eine Kack-Emoji. (fmg)