Aachen. Merkel, der Papst & Co.: Sie alle sind Träger des Karlspreises. 2023 geht er an Selenskyj. Die wichtigsten Hintergründe zur Auszeichnung.

Der Kampf des Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und des ukrainischen Volkes soll mit einer der anerkanntesten europäischen Auszeichnungen geehrt werden: dem Karlspreis. Selenskyj ist am Sonntag in Nordrhein-Westfalen eingetroffen.

„Wir betrachten die Karlspreisverleihung 2023 als einen Akt der Solidarität mit der Ukraine“, erklärte der Vorsitzende des Karlspreisdirektoriums, Jürgen Linden. Das ukrainische Volk und Selenskyj würden im Ukraine-Krieg nicht nur die Souveränität der Ukraine verteidigen, „sondern auch Europa und die europäischen Werte“, heißt es in der Begründung.

Lesen Sie dazu: Karlspreis 2023 geht an Selenskyj und das ukrainische Volk

Selenskyj und die Ukrainer reihen sich damit in eine prominente Gruppe bisher Ausgezeichneter ein. Mit dem Karlspreis wurden bisher schon Kanzler, Könige und Präsidenten geehrt. Der "Internationale Karlspreis zu Aachen" wird seit 1950 für Verdienste um Europa und die europäische Einigung verliehen und hat einen berühmten Namenspatron.

Karlspreis für Selenskyj: Eine Idee aus Aachen gegen den Krieg in Europa

Seinen Ursprung nimmt der Karlspreis in der Apokalypse des Zweiten Weltkriegs. Aachen ist Schauplatz heftiger Kämpfe zwischen der US-Armee und der Wehrmacht. Nach der Befreiung bildete sich ein kleiner Kreis Aachener Bürger um den Textilkaufmann Dr. Kurt Pfeiffer, die Vortragsreihen und Veranstaltungen im Geiste der europäischen Idee organisierten. Zusammen entwickelten sie die Idee einer Stiftung für einen Aachener Europa-Preis. Lesen Sie auch: Selenskyj in Deutschland – ein schwerst bewachter Besuch

In der Aachener Öffentlichkeit und Stadtverwaltung stieß die Idee auf Begeisterung, gerade auch im Hinblick auf die lange europäischen Tradition der Stadt. In der "Proklamation von 1949" legten sich die zwölf Gründungsmitglieder auf die europäischen Werte der Stiftung fest. 1950 wurde er zum ersten Mal vergeben. Der Karlspreis ist mit einer Medaille und einer Urkunde verbunden. Geld gibt es nicht.

Namensgeber des Karlspreises ist der König des Frankenreiches Karl der Große (747/748 - 814). Der Herrscher wählte im 8. Jahrhundert Aachen zu seiner Lieblingspfalz, das so für Jahrhunderte zum Mittelpunkt eines europäischen Reiches wurde. Karl der Große scharte europäische Gelehrte um sich und trieb weitgehende Reformen in Justiz und Verwaltung voran. In seinem Geiste sollte der Karlspreis die europäischen Völker einander näherbringen.

Bisherige Karlspreisträger: Bill Clinton und Angela Merkel

Der Karlspreis soll 2023 an Präsident Selenskyj und das ukrainische Volk verliehen werden. Die Medaille zeigt Karl den Großen.
Der Karlspreis soll 2023 an Präsident Selenskyj und das ukrainische Volk verliehen werden. Die Medaille zeigt Karl den Großen. © Andreas Herrmann/Stadt Aachen/dpa

Zu den bisherigen Preisträgerinnen und Preisträgern gehörten zum Beispiel Ex-Kanzlerin Angela Merkel, der frühere britische Premierminister Tony Blair, der ehemalige US-Präsident Bill Clinton und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Auch Papst Franziskus hat ihn schon erhalten. 2022 bekamen ihn die belarussische Bürgerrechtlerin Swetlana Tichanowskaja und zwei Mitstreiterinnen.

Während der letzten Tage wurde aus Sicherheitsgründen noch darüber gerätselt, ob Selenskyj am 14. Mai persönlich nach Aachen in den Krönungssaal des Rathauses zur Verleihung kommen wird. Die Verleihungszeremonie in Aachen begann schließlich mit gut einer Stunde Verzögerung gegen 16.30 Uhr. Bei Selenskyjs Eintritt in den mittelalterlichen Saal – in dem die Gäste schon warteten – bekam er Standing Ovations.

Olaf Scholz dankte in seiner anschlißenden Laudatio dem ukrainischen Präsidenten und seinem Volk für die Verteidigung gemeinsamer europäischer Werte. Er erinnerte daran, wie Selenskyj am Morgen des russischen Angriffs mit wirkmächtigen Worten den Widerstand bekräftigt habe. "Der Präsident ist hier. Wir alle sind hier", zitierte Scholz auf Ukrainisch aus der ersten Videobotschaft Selenskyjs und stellte fest: "Wohl selten in der Geschichte hatten so knappe Worte so große Wirkung".

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hielt anlässlich der Preisverleihung eine Rede, in der sie den Preisträger und das ukrainische Volk würdigte. "Sie kämpfen buchstäblich für Freiheit, Menschlichkeit und Frieden", sagte sie am Sonntag. Als weiterer Redner ist der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki dabei.

Selenskyj bekommt in Aachen Unterstützung von Demonstranten

Im Umfeld der Karlspreis-Verleihung haben am Sonntag etwa tausend Menschen den ukrainischen Präsidenten mit einer Demonstration in Aachen unterstützt. Der Zug startete am Bahnhof in Richtung Innenstadt. Die meisten Demonstranten waren Ukrainer. Viele hatten sich die ukrainische Fahne umgehängt und hatten traditionelle Hemden und Blusen an. Hunderte hielten blaue Luftballons in der Hand. In ihrer Mitte trugen die Demonstranten eine Dutzende Meter lange ukrainische Fahne. "Aachen stands with Ukraine", stand auf einem Banner am Anfang des Zugs.

In der Stadt sind parallel zur Verleihung des Karlspreises an Selenskyj und das ukrainische Volk sechs Demonstrationen unterschiedlicher Lager bei der Polizei angemeldet. Etwa 300 Menschen gingen begleitet von Trommeln in einem pro-russischen Demonstrationszug mit. "Friede mit Russland" forderten sie auf einem Banner. "Ich bin nicht im Krieg mit Russland", stand auf einem anderen Transparent. Andere Kundgebungen hatten deutlich weniger Teilnehmer. Die Veranstaltungen sollen bis etwa 17 Uhr dauern. Die Polizei in Aachen sprach am Mittag von einem friedlichen Verlauf. (os/cla/dpa)

Lesen Sie auch: