Belo Horizonte. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck war einst der Star im Kabinett. Nun aber kämpft der Grünen-Politiker mit zahlreichen Problemen.

Der Regierungsflieger ist noch gar nicht gelandet, da meint man schon, an Robert Habeck eine Veränderung zu bemerken. Gelöster, fast unbeschwert wirkt der Wirtschaftsminister zum Auftakt einer Reise nach Südamerika, ganz anders als bei öffentlichen Terminen zuletzt. Als wäre er froh, mal ein paar Tage wegzukommen. Gemeinsam mit Landwirtschaftsminister Cem Özdemir besucht Habeck ab Sonntag Brasilien und Kolumbien.

Vier Tage lang soll es um die globale Energiewende gehen, um Brasilien als möglichen Lieferanten für grünen Wasserstoff, um Wald- und Klimaschutz, und auch um das Handelsabkommen zwischen der EU und dem Block der Mercosur-Staaten. Es ist ein Strauß vor allem aus grünen Herzensthemen, mit dem die beiden Grünen-Politiker über den Atlantik geflogen sind. Aber nicht nur deswegen dürfte Robert Habeck froh sein, für ein paar Tage mehrere Zeitzonen und einen Ozean zwischen sich und das Geschehen im Berliner Regierungsviertel zu bringen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (links) und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (rechts, beide Bündnis 90/Die Grünen) kommen zum Auftakt ihrer Südamerika-Reise am Flughafen in Tancredo Neves in Belo Horizonte in Brasilien an.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (links) und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (rechts, beide Bündnis 90/Die Grünen) kommen zum Auftakt ihrer Südamerika-Reise am Flughafen in Tancredo Neves in Belo Horizonte in Brasilien an. © dpa | Britta Pedersen

Robert Habeck erlebt eine Entzauberung

Denn dort lief es zuletzt nicht so recht für Habeck. Wichtige Projekte stecken fest zwischen den Ministerien, mit den Koalitionspartnern liegen die Grünen im Dauerstreit. Die Geduld der Öffentlichkeit schwindet zunehmend. Es ist auch das Ergebnis einer Art Entzauberung.

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Vor gut einem Jahr war das noch anders. Die Monate nach dem russischen Überfall auf die Ukraine brachten dem Wirtschaftsminister den Ruf eines pragmatischen Krisenmanagers ein, und viel Wohlwollen. Mit der ihm eigenen Mischung aus Schachtelsätzen und Umgangssprache erklärte Habeck damals, was Solidarität mit kürzeren Duschzeiten zu tun hat und warum ein Klimaschutzminister Kohlekraftwerke zurück ans Netz holt. Und die Leute hörten zu.

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Verunglückte Gasumlage kratzte an Habecks Image

Erste tiefere Kratzer bekam das Verhältnis mit dem Hin und Her um die verunglückte Gasumlage. Auf die Höhen aus dem Sommer kehrten die Zustimmungswerte danach nicht mehr zurück, inzwischen überwiegen laut Umfragen die Zweifel. Den Platz an der Spitze der Beliebtheitsrankings musste er an Verteidigungsminister Boris Pistorius abgeben, ebenfalls Eigentümer einer politischen Großbaustelle.

Neben der Vergänglichkeit von Umfrage-Rekorden, die sie bei den Grünen gut kennen, gibt es aber auch inhaltliche Probleme. Der große Boom beim Ausbau der Erneuerbaren lässt nach wie vor auf sich warten, ein ursprünglich geplantes Klimaschutzsofortprogramm der Regierung liegt selbst bei der allergroßzügigsten Definition von „sofort“ nicht mehr im Bereich des Möglichen. Und mit dem Finanzminister trug Habeck Konflikte zuletzt in einem quasi-offenen Briefwechsel aus.

Öl- und Gasheizungen: Aufregung um Habecks Pläne

Die Sammlung weist auf ein strukturelles Problem. Während die akute Energiekrise zwar nicht vorbei, aber doch wenigstens unter Kontrolle ist, versucht der Wirtschaftsminister sich wieder auf die Aufgabe zu konzentrieren, für deren Lösung er eigentlich einmal angetreten war: die umfassende Umstellung der deutschen Wirtschaft hin zur Klimaneutralität. Und muss feststellen, dass die Hürden und Widerstände ungleich größer sind und der Zuspruch geringer, als wenn es darum geht, für warme Heizungen zu sorgen.

Lässig und anders als andere Politiker: So kam Robert Habeck lange gut an.
Lässig und anders als andere Politiker: So kam Robert Habeck lange gut an. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Jüngstes Beispiel sind die Pläne des Habeck-Ministeriums für Klimaschutz im Gebäudesektor. Schon im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP sich darauf geeinigt, dass neue Heizungen ab 2025 zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betreibbar sein müssen. Ebenfalls unisono hatte die Koalition wenige Monate später beschlossen, diese Deadline um ein Jahr vorzuziehen, auf 2024.

Auch die FDP hatte die Pläne mitbeschlossen

Doch als ein durchgestochener Gesetzentwurf klar machte, was das in der Praxis bedeutet – nämlich schon in einem dreiviertel Jahr kein neuer Einbau mehr von Öl- und Gasheizungen, und schrittweise in den kommenden Jahren auch der Austausch der Geräte im Bestand – war der Aufschrei groß. Immobilienverbände protestierten, Bürgerinnen und Bürger waren erschrocken.

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Alle Beteuerungen und Erklärungen, dass nicht alle Gas- und Ölheizungen sofort verboten seien, dass die Kernsubstanz dessen, was da geplant ist, längst beschlossen war, dass auch die FDP ihre Zustimmung gegeben hatte, sie halfen nichts. Hängen blieb bei vielen, Habeck wolle den Leuten die Heizungen wegnehmen. In einer Umfrage lehnten 80 Prozent der Befragten das Vorhaben ab. Von Finanzministerminister Christian Lindner kam die Forderung, die Pläne „zurück in die Montagehalle“ zu geben, so gehe das jedenfalls nicht.

Klimaschutz: Sobald es konkret wird, steht Habeck alleine da

Die Episode hat das Zeug zum Musterfall für die kommenden Jahre. Auch wenn in Umfragen eine große Mehrheit der Bundesbürger mehr Klimaschutz will und auch die Koalitionspartner dieses Ziel unterschrieben haben – sobald es konkret wird, sobald es um Geld geht, läuft Habeck Gefahr, allein dazustehen.

Den Koalitionspartnern bereitet die Entzauberung des Wirtschaftsministers jedenfalls keine großen Schmerzen. Die Liberalen, unter Druck nach einer Serie verlorener Landtagswahlen, haben zuletzt selten gezögert, wenn sie eine Möglichkeit sahen, das eigene Profil im Kontrast zu den Grünen und Habeck zu schärfen. Und bei der SPD sieht man in Habeck nicht nur den aktuellen Vizekanzler, sondern auch einen, der bei der nächsten Bundestagswahl das „Vize“ gern loswerden würde.

Ob Habeck dazu die Gelegenheit bekommen wird, hängt auch davon ab, ob das große Projekt der Transformation gelingt. Dafür wiederum braucht er die Koalitionspartner. Doch zumindest für die kommenden Tage trennt ihn von diesen ein Ozean.