Berlin. Söldner-Chef Prigoschin droht seine für Russland kämpfende Truppe aus Bachmut abzuziehen. Der Grund: Die eigenen Verluste sind zu hoch.
Mit hassverzerrtem Gesicht steht Jewgeni Prigoschin vor der Kamera, im Hintergrund ein Haufen mit Dutzenden blutigen Leichen. Wutentbrannt lässt er eine Schimpftirade gegen die Militärführung Russlands vom Stapel, die nicht deutlicher sein könnte.
„Huren“ und „Drecksäcke“ seien die, die seine Söldner nicht mit ausreichend Munition versorgten, schreit der Wagner-Chef. In einem zweiten auf seinem Telegram-Kanal veröffentlichten Video kündigt Prigoschin den Rückzug seiner Söldner aus der umkämpften Stadt Bachmut an. Nie zuvor ist der lange schwelende Konflikt zwischen Wladimir Putins Mann fürs Grobe und den Militärs so eskaliert.
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Jewgeni Prigoschin: Söldner-Chef und "Putins Koch"
Prigoschin, der wegen eines Raubüberfalls und anderer Delikte in den achtziger Jahren fast zehn Jahre im Gefängnis saß, trägt den Spitznamen „Putins Koch“, weil er einen Gastronomie-Betrieb im Kreml besitzt. Er gilt als der Finanzier der Söldner-Truppe Wagner, die seit Jahren in Syrien und mehreren afrikanischen Ländern für russische Interessen eingesetzt wird.
Im russischen Invasionskrieg gegen die Ukraine wurden die Wagner-Ränge durch zehntausende entlassene Strafgefangene aufgefüllt, die nach kurzem Training ins Gefecht geschickt wurden und einen enorm hohen Blutzoll zahlen mussten. Seit über einem halben Jahr versuchen sie vergeblich, die kleine Industriestadt Bachmut im Osten der Ukraine einzunehmen.
Putin will den Konflikt zwischen Vertrauten und Wagner-Chef nicht schlichten
Die horrenden Verluste der Wagner-Söldner in Bachmut und die vergeblichen Versuche, die Stadt einzunehmen, führt Prigoschin seit Monaten auf die mangelnde Unterstützung der russischen Militärführung zurück. Denen wirft er außerdem immer wieder Versagen vor. Möglicherweise will das Militär den wachsenden politischen Einfluss Prigoschins zurückdrängen, indem es die Wagner-Söldner an der Front verbluten lässt.
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Es ist ein erbitterter Konflikt zwischen Vertrauten, den der russische Präsident nicht schlichten kann oder will. Vor einigen Tagen bezichtigte Prigoschin die Militärführung um Verteidigungsminister Sergei Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow bereits des Hochverrats.
Jetzt hat er noch einmal nachgelegt. „Wir haben ein Munitionsdefizit von 70 Prozent“, keift er in dem ersten Video, und: „Die, die keine Munition schicken, Huren, werden ihre Eingeweide in der Hölle fressen“. Die für den Munitionsmangel Verantwortlichen bezeichnet Prigoschin als „Drecksäcke“, die in ihren „teuren Clubs sitzen“, während seine Männer als „Freiwillige“ in die Ukraine gekommen seien, „damit Ihr in Euren Luxusautos herumfahren könnt“. Ganz offensichtlich liegen die Nerven beim Wagner-Chef blank. Im zweiten Video kündigt er den Rückzug aus Bachmut an.
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„Wir sind gezwungen, am 10. Mai unsere Positionen in Bachmut an die Einheiten des Verteidigungsministeriums zu übergeben“, sagt Prigoschin vor einer Gruppe seiner Söldner. Die Reste von Wagner würden sich zurückziehen, um ihre „Wunden zu lecken“. Ohne Munition müssten seine Männer einen „sinnlosen Tod“ sterben. Ob diese Drohung ernst zu nehmen, oder lediglich ein neuer verzweifelter Erpressungsversuch ist, den Kreml auf Linie zu bringen, ist nicht klar.
Russische Fallschirmjäger müssten statt der Wagner-Gruppe kämpfen
Für die russischen Versuche, die Kleinstadt, die zu einem Symbol des entschiedenen Widerstands der ukrainischen Streitkräfte geworden ist, einzunehmen, wäre ein Rückzug der Wagner-Gruppe jedoch ein herber Rückschlag. Die Wagner-Söldner sind derzeit in heftige und verlustreiche Kämpfe im Zentrum der Stadt verwickelt, während reguläre russische Fallschirmjäger ihre Flanken sichern. Sollten sich die Söldner zurückziehen, müssten diese Elite-Einheiten ihre Aufgaben übernehmen. Das hieße aber auch, Kräfte zu opfern, die für die Verteidigung gegen die offenbar bald anstehende ukrainische Gegenoffensive dringend gebraucht werden.
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