Berlin. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble wünscht sich von den Ostdeutschen mehr Selbstbewusstsein.

"Mancher pflegt geradezu den eigenen Opferstatus, statt selbstbewusst darauf zu verweisen, den Menschen im Westen eine wertvolle Erfahrung vorauszuhaben: die Anpassung an massive gesellschaftliche Umwälzungen", schreibt der CDU-Politiker in einem Beitrag für die "tageszeitung" (taz/Samstag). Aus seiner Sicht würde es nachhaltig zur inneren Einheit beitragen, den Erfahrungsvorsprung der Ostdeutschen zu erkennen und gemeinsam zu nutzen.

Schäuble machte ein "spezifisch ostdeutsches Identitätsgefühl" als Besonderheit aus. Laut einer Studie identifizierten sich viele Ostdeutsche nach wie vor mit ihrem früheren Staatsgebiet. Eine Mehrheit von ihnen sehe sich vorrangig als Ostdeutsche, während sich Westdeutsche in erster Linie als Deutsche verstünden. "Ein bemerkenswerter Befund 30 Jahre nach der staatlichen Einheit", stellte der Bundestagspräsident fest.

Als Gründe für die Spaltung von West- und Ostdeutschen nannte Schäuble "zu groß empfundene Unterschiede zwischen den Lebensbedingungen, ein Mangel an Anerkennung von Lebensleistungen, selbst erfahrene und in der Familie tradierte Kränkungen im Transformationsprozess, wie sie sich in der Verteufelung der Treuhand manifestieren, schließlich die demographischen Folgen der Abwanderung". "Das alles bildet ein Gemisch für eine Identität, die die Spaltung in Ost und West eher zementiert als sie zu überwinden hilft", schrieb Schäuble.