Erfurt. Fast 8000 Besucher nutzten am Tag der offenen Tür des Thüringer Landtags die Möglichkeit, mit Abgeordneten ins Gespräch zu kommen.

Samstagnachmittag, schönstes Sommerwetter – und im Plenarsaal des Landtags drängen sich die Besucher. Politisches Desinteresse sieht anders aus. Die Plätze, auf denen sich sonst die Abgeordneten Wortgefechte liefern, sind alle besetzt, als sich die Spitzen der Landtagsfraktionen den Fragen der Menschen stellen.

Wann hat man schon mal Gelegenheit, Politiker direkt und ungefiltert zu befragen, meint ein junges Paar, das extra aus Ilmenau angereist ist.

Es geht auch schnell und heftig zur Sache, als ein Besucher von AfD-Fraktionschef Björn Höcke wissen will, wie er das damals mit der „erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“ gemeint habe. Dessen Auslassung, man müsse die positiven Aspekte in den Mittelpunkt stellen und im Übrigen sei er falsch interpretiert worden, lassen die Diskutanten so nicht stehen. Dann hätte er auf die entsprechenden Kommentare in den sozialen Medien auch klar antworten müssen: So habe ich es nicht gemeint. Aber das habe er nicht getan, entgegnet Grünen-Fraktionschef Dirk Adams.

8000 Besucher beim Tag der offenen Tür im Landtag

Tag der offenen Tür im Landtag.
Tag der offenen Tür im Landtag. © Sascha Fromm | Zentrale
Tag der offenen Tür im Landtag.
Tag der offenen Tür im Landtag. © Sascha Fromm | Zentrale
v.l. Björn Höcke (AfD-Fraktionsvorsitzender), Jan Hollitzer (TA-Chefredakteur und Moderator), Matthias Hey (Franktionsvorsitzender SPD), Andre Blechschmidt (DIE LINKE), Landtagspräsidentin Birgit Diezel, Mike Mohring (CDU-Fraktionsvorsitzender), Dirk Adams (Bündnis 90/Die Gruenen).
v.l. Björn Höcke (AfD-Fraktionsvorsitzender), Jan Hollitzer (TA-Chefredakteur und Moderator), Matthias Hey (Franktionsvorsitzender SPD), Andre Blechschmidt (DIE LINKE), Landtagspräsidentin Birgit Diezel, Mike Mohring (CDU-Fraktionsvorsitzender), Dirk Adams (Bündnis 90/Die Gruenen). © Sascha Fromm | Zentrale
Die „Kinder-Reporter“ Sarah Rübsam, links und Tabea Kümmerling von der Salzmannschule in Schnepfenthal.
Die „Kinder-Reporter“ Sarah Rübsam, links und Tabea Kümmerling von der Salzmannschule in Schnepfenthal. © Sascha Fromm | Zentrale
Tag der offenen Tür im Landtag.
Tag der offenen Tür im Landtag. © Sascha Fromm | Zentrale
Tag der offenen Tür im Landtag.
Tag der offenen Tür im Landtag. © Sascha Fromm | Zentrale
Lukas aus Erfurt am Rednerpult im Plenarsaal
Lukas aus Erfurt am Rednerpult im Plenarsaal © Sascha Fromm | Zentrale
Tag der offenen Tür im Landtag.
Tag der offenen Tür im Landtag. © Sascha Fromm | Zentrale
Tag der offenen Tür im Landtag.
Tag der offenen Tür im Landtag. © Sascha Fromm | Zentrale
Tag der offenen Tür im Landtag.
Tag der offenen Tür im Landtag. © Sascha Fromm | Zentrale
Tag der offenen Tür im Landtag.
Tag der offenen Tür im Landtag. © Sascha Fromm | Zentrale
Tag der offenen Tür im Landtag.
Tag der offenen Tür im Landtag. © Sascha Fromm | Zentrale
Tag der offenen Tür im Landtag.
Tag der offenen Tür im Landtag. © Sascha Fromm | Zentrale
„Landtag im Dialog – Bürger fragen, Politiker antworten“ hieß eine Veranstaltung, bei der Bürger Fragen an die Vorsitzenden der Fraktionen im Thüringer Landtag richten konnten.
„Landtag im Dialog – Bürger fragen, Politiker antworten“ hieß eine Veranstaltung, bei der Bürger Fragen an die Vorsitzenden der Fraktionen im Thüringer Landtag richten konnten. © Sascha Fromm | Zentrale
Tag der offenen Tür im Landtag.
Tag der offenen Tür im Landtag. © Sascha Fromm | Zentrale
Tag der offenen Tür im Landtag.
Tag der offenen Tür im Landtag. © Sascha Fromm | Zentrale
Diskussionsrunde.
Diskussionsrunde. © Sascha Fromm | Zentrale
Tag der offenen Tür im Landtag.
Tag der offenen Tür im Landtag. © Sascha Fromm | Zentrale
Landtagspräsidentin Birgit Diezel und Ministerpräsident Bodo Ramelow (DIE LINKE), links bei der Eröffnung.)
Landtagspräsidentin Birgit Diezel und Ministerpräsident Bodo Ramelow (DIE LINKE), links bei der Eröffnung.) © Sascha Fromm | Zentrale
Tag der offenen Tür im Landtag.
Tag der offenen Tür im Landtag. © Sascha Fromm | Zentrale
Tag der offenen Tür im Landtag.
Tag der offenen Tür im Landtag. © Sascha Fromm | Zentrale
Landtagspräsidentin Birgit Diezel.
Landtagspräsidentin Birgit Diezel. © Sascha Fromm | Zentrale
Tag der offenen Tür im Landtag.
Tag der offenen Tür im Landtag. © Sascha Fromm | Zentrale
Tag der offenen Tür im Landtag.
Tag der offenen Tür im Landtag. © Sascha Fromm | Zentrale
Frauen in Landestrachten am Stand von Moldawien.
Frauen in Landestrachten am Stand von Moldawien. © Sascha Fromm | Zentrale
Tag der offenen Tür im Landtag.
Tag der offenen Tür im Landtag. © Sascha Fromm | Zentrale
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Emotional geht es weiter, als ein älterer Herr das Thema Treuhand und die Frage nach einem Thüringer Fonds für die Geschädigten ihrer Entscheidungen der Wendezeit in die Runde wirft. Die Politik wisse um die vielen Ungerechtigkeiten und stecke den Kopf in den Sand, ruft er. SPD-Fraktionschef Matthias Hey gibt ihm recht, die Aufarbeitung habe es nicht wirklich gegeben. Man müsse, fordert er, dies noch einmal aufnehmen und genau hinschauen, was damals geschehen ist.

Debatte mit den Fraktionsvorsitzenden. Foto: Sascha Fromm
Debatte mit den Fraktionsvorsitzenden. Foto: Sascha Fromm © Sascha Fromm

Erlittenes Unrecht sieht auch CDU-Fraktionschef Mike Mohring, doch der Rechtsstaat lebe auch davon, dass irgendwann ein Rechtsfrieden hergestellt sei, auch wenn Ungerechtigkeit bleibe. Er plädiert dafür, in die Zukunft zu schauen und zu fragen, was das Land voranbringt. Auch der Blick zurück sei wichtig, entgegnet André Blechschmidt, parlamentarischer Geschäftsführer der Linke-Fraktion, und erinnert an Bischofferode. Die Schließung einer rentablen Zeche aus Kapitalinteresse sei ein Höhepunkt dieser Ungerechtigkeiten gewesen, auch nach 30 Jahren könne man das nicht im Raum stehen lassen.

Auch Grünen-Politiker Dirk Adams spricht von Brüchen im Einigungsprozess, diesen Schatten müsse man sich stellen. AfD-Politiker Björn Höcke fordert zur Untersuchung einen Treuhandausschuss.

Eine gute Stunde dauert dieser lebhafte Dialog, der Moderator, TA-Chefredakteur Jan Hollitzer, müht sich sichtlich, alle Fragesteller zu Wort kommen zu lassen, aber es sind zu viele Themen, die den Besuchern unter den Nägeln brennen: Aufarbeitung von SED-Unrecht, bezahlbare Mieten, die Zukunft der Pflege und die gerechte Bezahlung der Fachkräfte, der Sinn neuer Windkraftanlagen in Thüringens lieblichen Landschaften, die Rente, die Abschaffung der Straßenbaubeiträge und wann das Gesetz nun endlich verabschiedet wird. In diesem September, verspricht Matthias Hey, die Koalition meine es ernst.

Besucher kamen mit vielen Fragen

Auch die Landtagswahlen werfen ihre Schatten voraus. Ein Besucher will von Mike Mohring wissen, wie es seine Partei mit möglichen Koalitionen mit Links oder der AfD hält. Weder noch, lautet die knappe Antwort, man wolle eine Regierung der bürgerlichen Mitte.

Während es im Plenarsaal hoch her geht, ähnelt das Gelände um den Landtag zu Teilen einem Volksfest, seit dem Morgen strömen die Besucher. Sie wolle unbedingt mal einen Blick in den Plenarsaal werfen, und hören, was die Politiker zum Europa-Thema zu sagen haben, erklärt zum Beispiel eine junge Mutter. Saskia Schneider aus Erfurt ist viel mit dem Fahrrad unterwegs, vermisst ordentliche Wege dafür, vielleicht finde sie darauf eine Antwort. Ein älteres Ehepaar aus dem Randgebiet von Erfurt treibt die Versorgungslage um, die Ältere abhängt. Wie muss es erst wohl auf dem Land aussehen, fragen sie. Frank Jendritzky ist aus Bad Langensalza gekommen um mit Politikern über seinen Eindruck zu sprechen, dass die Belange der Menschen von den Mächtigen überhaupt nicht mehr beachtet werden.

Auf der Wiese im gegenüberliegenden Beethovenpark lagern Familien, die Deutsche Soccer Liga lädt mit Kletterwand und Ballspiel Kinder zum sportlichen Parcours. Für die Erwachsenen gibt es vor dem Eingang einen politischen Parcours, dort werben Landtags-Fraktionen an Ständen um Aufmerksamkeit. Bei den Grünen sind Windrädchen und Sonnenblumen im Angebot, die CDU verteilt schon mal eine gedruckte Bilanz ihrer Oppositionszeit, die Linken konkurrieren mit Glitzertatoos für Kinder, rote Brause, Eis, Popcorn und Luftballons gibt es parteiübergreifend.

Die Stände sind dicht umlagert, was fragen die Besucher? Nach Windkraft, Inklusion und Mobilität, heißt es am Stand der Grünen. Geringe Rentenbezüge und wie man davon die Miete bezahlen soll, erfährt man, wird bei den Linken diskutiert. Am SPD-Stand spricht man über das Maut-Urteil, über den Mordfall Lübcke, die Grundrente und, ja, auch über das Führungsdilemma der Partei. Vor ihrem Stand haben die Sozialdemokraten einen Mann auf Stelzen engagiert, das scheint fast symbolhaft. Vielleicht, dass er von seiner Höhe aus mehr sieht, aber er verneint bedauernd.

Sport und Ehrenamt als zentrale Themen

Drinnen im Landtagsgebäude bieten sich Minister ganz bürgernah zum Gespräch an. Migrationsminister Dieter Lauinger spricht mit einem Besucher über arabische Familienväter und ihr Selbstverständnis, aus eigener Kraft die Familie ernähren zu können, Familienministerin Heike Werner erklärt das rot-rot-grüne Familienprogramm. Berührungsängste bei den Besuchern? Bei ihr jedenfalls, bemerkt Heike Werner, seien ihr keine begegnet.

In den Gängen informieren Vereine und Stiftungen. Man höre zu wenig über die DDR im Unterricht, hätten Schüler bedauert, erfährt man am Stand des Beauftragten für die Aufarbeitung der SED-Diktatur. Bürgerbeauftragter Kurt Herzog erklärt, wofür er da ist, sogar der Thüringer Skatverband ist mit zwei geprüften Schiedsrichtern zugegen.

In den Sitzungsräumen wird viel Sportpolitik diskutiert. Sport und das Ehrenamt sind, wie Hausherrin Birgit Diezel bei der Eröffnung bemerkt, Schwerpunkte dieses diesjährigen Tages der offenen Tür. Viele Menschen wundern sich, erzählt die Geschäftsführerin der Ehrenamtsstiftung Brigitte Manke, dass auch die Sorge um die betagte Nachbarin schon Ehrenamt ist. Andere interessieren sich für konkrete Möglichkeiten des Engagements.

Während der Souverän die Räume der poltischen Macht in Augenschein nimmt, gibt draußen im Hof das Polizeimusikkorps Jazz und mehr zum Besten. Dort, umweht von Bratwurstduft, gibt es auch einen Blick über den heimischen Tellerrand. Alexander Nikulin von der Gebietsduma Kaliningrad, mit der ein Freundeskreis des Landtags gute Kontakte pflegt, spricht von den vielen noch ungenutzten Möglichkeiten, die Menschen zusammenzubringen. Konkretes dafür hat er auch mitgebracht: Ab 1. Juli können Gäste dank vereinfachter Online-Visa unkomplizierter die russische Region Kaliningrad besuchen.

Gut 8000 Besucher, schätzt die Polizei, kamen in den Landtag. Vorfälle gab es, bis auf einige geplatzte Luftballons, keine.