Erfurt. Die überraschende Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum neuen Ministerpräsidenten von Thüringen hat ein politisches Erdbeben ausgelöst. Hier einige Reaktionen.

Die Wogen schlugen hoch nach dem Bekanntwerden des Ergebnisses des 3. Wahlgangs der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen. Neben einigen Gratulationen hagelte aus Thüringen und ganz Deutschland haufenweise Kritik in Richtung des Wahl-Gewinners Thomas L. Kemmerich und seiner Partei.

Über Nachrichtenagenturen, in Pressemitteilungen der unterlegenen Parteien und in den sozialen Netwerken herrschte vor allem Entsetzen darüber, dass sich ein FDP-Kandidat mit Stimmen der AfD ins Amt heben lässt. Es meldeten sich unter anderem Politiker, Sportler, Umweltschützer und Comedians zu Wort.

Kevin Kühnert: „Tabubruch wird für immer bleiben“

So war einer der ersten, der seine Meinung über das Wahlergebnis in Thüringen bekannt gab, Kevin Kühnert von der SPD: „Der Tabubruch, der AfD zu echter Macht verholfen zu haben, wird nun für immer mit CDU und FDP verbunden sein. Die Masken sind gefallen. Es werden jetzt spannende Tage. Wachsamkeit ist das Gebot der Stunde.“

Der Erfurter Politikwissenschaftler André Brodocz sagte unmittelbar im Anschluss am Mittwoch in die Mikrofone des Fernsehsenders MDR: „Das ist das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass ein Ministerpräsident mit den Stimmen der AfD ins Amt gewählt wurde.“

Björn Höcke: "Neuanfang für die Thüringer Politik"

Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke sieht den Ausgang der Wahl als einen „Neuanfang für Thüringen“. Unter der Regierung von Linke, SPD und Grünen habe sich Thüringen zu einem „Linksstaat“ entwickelt. „Dieser Prozess ist heute gestoppt worden.“ Er hoffe, dass von dieser Wahl ein Signal ausgehe, das bundesweit beachtet werde.

„Rot-Rot-Grün in Thüringen hat schon jetzt fertig! Gratulation an Ministerpräsident Thomas L. Kemmerich. An der AfD führt kein Weg mehr vorbei!“, schrieb die Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, Alice Weidel, auf Twitter. Ebenfalls auf Twitter äußerte sich der AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen: „Der erste Mosaikstein der politischen Wende in Deutschland: Sieg der bürgerlichen Mehrheit!!! Gratulation nach Thüringen!#politische_Wende“.

SPD-Chef Norbert Walter-Borjans wirft der Thüringer CDU und FDP vor, in Thüringen einen „unverzeihlichen Dammbruch“ ausgelöst zu haben. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sprach von einem „Tiefpunkt der deutschen Nachkriegsgeschichte.“ SPD-Fraktionschef Matthias Hey kann nicht verstehen, „dass sich Liberale für so etwas hergeben.“ Der ehemalige SPD-Chef Sigmar Gabriel twitterte: "Wer glaubt, dass FDP und CDU nichts davon gewusst haben, dass die AfD ihren FDP-Kandidaten zum Ministerpräsidenten in Thüringen wählt, glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten."

Göring-Eckhardt: Ergebnis kein "Unfall"

Grünen-Politikerin Kathrin Göring-Eckhardt hält das Ergebnis für keinen „Unfall“. Vielmehr sei es „ein bewusster Verstoß gegen Grundwerte unseres Landes“. Mit Feinden der Demokratie lässt sich keine Zukunft gestalten, so Göring-Eckardt.

Ihre Parteikollegin Annalena Baerbock twitterte: "Ich erwarte von Thomas #Kemmerich, dass er das Amt niederlegt. Tut er das nicht, müssen #CDU und #FDP auf Bundesebene die Thüringer Landesverbände ausschließen. Sonst sind Unvereinbarkeitsbeschlüsse nichts mehr wert.“

Ähnlich sieht es der Linke-Vorsitzende Bernd Riexinger: „Wie weit sind wir gekommen, dass die FDP einen Ministerpräsidenten Kemmerich wählen lässt mit den Stimmen des Faschisten Höcke und der AfD? Das ist ein Tabubruch, der weitreichende Folgen haben wird“, schreibt Riexinger in einer ersten Reaktion bei Twitter.

Glückwunsch von Christian Hirte

CDU-Bundestagsabgeordneter Christian Hirte freut sich derweil für Kemmerich, den er als einen „Kandidat der Mitte“ bezeichnet.

Der Berliner CDU-Fraktionschef Burkard Dregger schreibt: „Das ist eine demokratische Entscheidung, die nicht zu kritisieren ist. Einen Grund für Neuwahlen sehe ich nicht. Der Wähler hat entschieden, die Parteien müssen damit umgehen und haben das am Mittwoch im Landtag getan.“

„Es ist ein großartiger Erfolg für Thomas Kemmerich.“, sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki. „Ein Kandidat der demokratischen Mitte hat gesiegt. Offensichtlich war für die Mehrheit der Abgeordneten im Thüringer Landtag die Aussicht auf fünf weitere Jahre Ramelow nicht verlockend.“ „Wahnsinn“, sagt der Greizer FDP-Politiker Jens-Holger Schmidt zur Wahl seines Parteikollegen Thomas Kemmerich (FDP) zum Ministerpräsidenten von Thüringen. „Die Wahl zeigt, wie unfähig die anderen sind. Das gleiche Spiel hätte die CDU doch auch machen können“, so Schmidt.

Thüringens CDU-Vorsitzender Mike Mohring sagte: „Fakt ist: Wir sind nicht verantwortlich für die Kandidaturen anderer Parteien, wir sind auch nicht verantwortlich für das Wahlverhalten anderer Parteien.“ Anders sieht es die Grünen-Landtagsabgeordnete Madeleine Henfling: „Das ist ein unfassbares Ergebnis. Die FDP lässt sich von Faschisten ins Amt heben und die CDU ist willfähiger Gehilfe!“

Die Linke twitterte in Richtung der FDP: „Lieber mit Faschisten regieren, als nicht regieren.“

Der FDP-Politiker und frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum sagte gegenüber der „Rheinischen Post“: „Ein Hauch von Weimar liegt über dem Land. Das Böse ist wieder da.“

Die Meinung des SPD-Bundestagsabgeordneten Michael Schrodi ist eindeutig: „Die FDP ist eine Schande für dieses Land“, machte er auf Twitter seinen Unmut Luft.

Der ehemalige Fußball-Bundesligaspieler Hans Sarpei meldete sich ebenfalls mit einem Statement: „Ein trauriger Tag für Deutschland. Das erste Mal seit dem Krieg helfen Nazis einem Ministerpräsidenten ins Amt.“

Die ZDF heute-show regt AfD und FDP zu einem Re-branding ihres Logos an:

Das Satiremagazin extra3 twitterte kurz und knapp: „Erster AfDP-Ministerpräsident.“

Mehr zur Ministerpräsidentwahl in Thüringen