Washington. Trotz seiner Kandidatur-Panne ist DeSantis nicht zu unterschätzen – bis zur Wahl des Präsidentschaftskandidaten kann viel passieren.

Manche Desaster haben etwas Beruhigendes an sich. Man darf mit einiger Verlässlichkeit davon ausgehen, dass Amerika seit Mittwochabend mehr über den Tod der allseits angebeteten Rock-Ikone Tina Turner trauert, als über den grandios verkorksten Wahlkampf-Auftakt von Donald Trump-Herausforderer Ron DeSantis auf Twitter.

Das macht die Pleite, die sich Floridas Gouverneur durch die leichtfertige Allianz mit dem überforderten Multi-Unternehmer Elon Musk selbst zuzuschreiben hat, nicht geringer. DeSantis wirbt für sich mit dem gegen Trump gedrehten Slogan "Kompetenz ohne Chaos". Nun, da ist noch sehr viel Luft nach oben. Aber man muss die Maßstäbe wahren.

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Die Wahl, die der 44-jährige Emporkömmling gewinnen will, ist noch 17 Monate hin. Bis zur republikanischen Kandidaten-Kür in Milwaukee sind es 14 Monate. Das sind Ewigkeiten. Auf- und Abstiege in den Umfragen werden sich noch mehrfach abwechseln. Ohnehin holen sich Wählerinnen und Wähler in Iowa, New Hamphire, Wisconsin, Pennsylvania, Arizona und anderen kriegsentscheidenden Bundesstaaten ihren Tagesbedarf an Politik-Fastfood nicht auf einer dysfunktionalen Kommunikationsplattform.

Wahlkampf: Man sollte DeSantis nicht abschreiben

Darum (und weil DeSantis bald eine Wahlkampf-Kriegskasse von 200 Millionen Dollar an aufwärts haben wird) darf man den Gouverneur nicht abschreiben. Trump mag meilenweit führen im Moment. Fällt im Sommer der strafrechtliche Hammer gegen ihn, sieht die Welt aber womöglich anders aus.

Dirk Hautkapp, US-Korrespondent
Dirk Hautkapp, US-Korrespondent © Privat | Hamburger

Wichtiger ist, was sich Amerika mit dem binnen zehn Jahren aus dem Nichts aufgestiegenen Ex-Militär-Juristen Ron DeSantis einhandeln würde: Einen autoritären Ultra-Konservativen, der seinen gesetzgeberischen Furor gegen alles Links-Progressive strategisch vorbereiten und (anders als Trump) akribisch exekutieren kann.

Mit DeSantis, das legen seine auf Kulturkrieg ausgerichteten Schwerpunkte Abtreibung, Schulen, Geschlechterfragen nahe, wäre eine tiefgreifendere Radikalisierung der USA programmiert. Wo Trump, der prinzipienlose Lebemann, laviert und seine Politik in den Wind der Meinungsforscher hängt, kommt der Gouverneur wie ein Feldmarschall daher, der systematisch Geländegewinne abhakt; und sei es bei Disneys Mickey Mouse in Orlando.

Bei DeSantis klingen faschistische Untertöne an

Das links der Mitte tickende Amerikas ist alarmiert. Was Joe Biden in die Hände spielt. Hier stößt der absolutistische Sprach-Duktus auf, mit dem DeSantis im Stile eines Kreuzzüglers das Land und seine Institutionen "säubern" und den "linken Virus" ausmerzen will. Wenn DeSantis sagt, dass alles "woke" (Schimpfwort für linksliberal, tolerant etc.) unter seiner Führung in den "Abfalleimer der Geschichte" verklappt wird, klingen sogar faschistische Untertöne an.

Wechselwähler, und auf die kommt es an, kriegen da Gänsehaut. Zumal der Anti-Menschenfänger bisher nichts zu bieten hat, wenn es um Brot-und-Butter-Themen wie Gesundheit, Inflation, Strukturwandel, Klimawandel und Gewaltkriminalität geht. Von einer frischen, unverbrauchten Zukunftsvision für ganz Amerika völlig zu schweigen.

Der krampfhafte Versuch von DeSantis, Donald Trump rechts zu übertrumpfen, muss misstrauisch machen. Washington ist nicht Tallahassee. Gesplittete Mehrheitsverhältnisse im Kongress machen aus jedem Radikalen schnell einen Papiertiger. Da hilft dann auch kein Twitter mehr.

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