Erfurt. Wegfall der Notbetreuung bringt auch Mitarbeiter in Altenpflege und Medizin in große Zwänge

„Erst waren wir systemrelevant, jetzt sollen wir zusehen, wie wir klar kommen“: Die Altenpflegerin, sie will anonym bleiben, klingt am Telefon aufgebracht. Sie arbeitet in einem mobilen Pflegedienst im Weimarer Land. Vor einer Woche beendete der Kindergarten ihres Sohnes die Notbetreuung und stellte auf eingeschränkten Regelbetrieb um: mit verkürzter Öffnung und im wöchentlichen Wechsel der Gruppe. In der vergangenen Woche musste ihr Sohn zu Hause bleiben. Sie konnte nur deshalb für ihre Senioren da sein, weil ihre Mutter im selben Pflegedienst arbeitet. Sie übergaben sich im fliegenden Wechsel das Kind. Aber auch das geht nur, bemerkt sie, wenn sie ihre Schicht zwei Stunden eher beendet. Die Arbeit müssen dann die Kolleginnen übernehmen.

Bei Krankenschwester Carolin Friedrich springt derzeit eine Nachbarin ein, um die Lücken in den Betreuungszeiten zu schließen.

Tabea Arndt, Krankenschwester in der Intensivmedizin an der Uniklinik Jena, bekam in dieser Woche einen Elternbrief vom Kindergarten, der das Ende der Notbetreuung ab 2. Juni ankündigte. Auch ihr Mann arbeitet als Krankenpfleger. In der nächsten Woche, sagt sie, bekommen wir das mit unseren unterschiedlichen Schichten noch irgendwie hin; wie die Lösung danach aussehen soll, wissen sie nicht. Die Dienstpläne sind geschrieben, sagt sie, und wir sind nicht die Einzigen mit dem Problem.

Mit dem Organisationstalentam Ende

Gleichlautendes erzählt auch eine Kollegin aus der Geriatrie. Spätestens am kommenden Freitag wird sie mit ihrem Organisationstalent am Ende sein und zwei Stunden verspätet zum Dienst auf der Station erscheinen können, weil der Kindergarten zu spät öffnet.

Viele solcher Notrufe gingen in den vergangenen Tagen im Landesbezirk der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ein. Die Tonlage: zwischen Unverständnis, Ratlosigkeit und Enttäuschung. Der Wegfall der Notbetreuung habe Kollegen im Medizinischen Bereich und in der Pflege ratlos zurückgelassen, konstatiert Verdi-Mitarbeiter Philipp Motzke. Gerade noch seien die Mitarbeiter in Pflege und Medizin als Helden beklatscht worden, dann wurden sie bei den Neuregelungen offensichtlich vergessen.

Wenn in den Einrichtungen ab Mitte Juni das Wechselmodell entfallen soll, sei das natürlich zu begrüßen. Allerdings bleiben die Öffnungszeiten unklar, außerdem müsse die Zeit bis dahin ja auch noch bewältigt werden. Vor allem aber: Es sei enttäuschend, wie schnell die beschworene Systemrelevanz der Kollegen keine Rolle mehr spiele.