Altenburg. Szenische Lesung im Lindenau-Museum anlässlich von 200 Jahren West-östlicher Divan in Altenburg

„Alles das, was wir heute am Islam als rückständig erachten, war für Goethe ein wenig bewundernswert“, sagt Christoph Schmitz-Scholemann. Der Weimarer Autor gastierte gestern im Rahmen einer szenischen Lesung unter dem Titel „Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen. 200 Jahre West-östlicher Divan von Goethe“ im Lindenau-Museum. Steffen Mensching, Intendant des Theaters Rudolstadt las im Wechsel mit Schauspielerin ­Anne Kies Gedichte aus dem 200 Jahre alten Buch vor, Vahid Shahidifar brachte mit seinem Zitherspiel orientalisch anmutende Zwischentöne hervor.

Divan bedeutet in diesem Zusammenhang nichts anderes als Sammlung, darum enthält das Buch rund 200 Gedichte, welche Goethe im Alter zwischen 65 und 70 Jahren geschrieben, teilweise auch nur frech abgeschrieben hat. Zu diesem Zeitpunkt hatte er noch einmal die Leidenschaft entdeckt, war unsterblich verliebt in die 35 Jahre jüngere Marianne von Willemer. „Die Gerontologie würde von frontaler Enthemmung sprechen“, sagt Schmitz-Scholemann.

Ihrem Briefwechsel sowie der Wertschätzung Goethes für den persischen Dichter Hafis ist die Entstehung des Divan zu verdanken. Neben reichlich vielen Alltagsweisheiten geht es darin „hauptsächlich um die Liebe zwischen Mann und Frau sowie zwischen Mann und Rotwein“, so der Weimarer. Darum kann man einige Gedichte über Weinstuben, über die Zuneigung zu jungen Männern sowie Gedanken um den Tod erfahren. Kies und Mensching spielen sich die Bälle zu, durch die häufigen Einordnungen von Schmitz-Scholemann in einen klugen Rahmen gepresst.

„Gegensätze sah Goethe als einander bedingende und ergänzende Kräfte an, wie das Ein- und Ausatmen“, so der Autor. Zur Zeit der Entstehung des Divans waren gerade die Napoleonischen Kriege beendet. Als Folge schwappte eine Welle des Nationalismus und des Antisemitismus durch Europa, was den Orient als Land des Friedens erscheinen ließ.