Schmölln/Zschernitzsch. Ehemalige Vize-Landrätin des Altenburger Landes hat Parkinson: Christine Gräfe gibt sich nicht auf und will anderen Betroffenen helfen.

  • Sie liebte ihr Leben, so wie es war - dann bekam sie die Diagnose.
  • Die Arbeit als Ablenkung, bis fast nichts mehr ging.
  • Warum sie mit ihrer Erkrankung nicht hinterm Berg hält.

Zuerst hat sie es an ihrer Handschrift bemerkt. Die Buchstaben wurden immer kleiner, die Worte schwerer lesbar. „Meine Sekretärin wunderte sich, ich schob es auf meinen Arbeitsalltag und den Stress“, blickt Christine Gräfe zurück. 2013 dann die Diagnose: Parkinson. Sie war 67 Jahre alt, engagiert - und, wie sie sagt - bis zur Pingeligkeit genau im Job. Sie liebte ihr Leben, so wie es war. Sie liebte ihre Arbeit. Immer. Als angehende Wirtschaftskauffrau, als blutjunge Hauptbuchhalterin, nach der Wende 1989/90 als Kämmerin, als Gesundheitsdezernentin, als Vize-Landrätin des Altenburger Landes, als Seniorenbeauftragte für den Landkreis.

Außenstehende sahen sofort, was los war

Der Kopf nach vorne und gebückte Haltung: „Außenstehende haben es sofort gesehen, was ich nicht wahrhaben wollte“, erinnert sie sich an all die kleinen Anzeichen, die den Aufzug der neurologischen Erkrankung ankündigten. Als sie es schwarz auf weiß hatte, was sich in ihrem Gehirn, ihrem Körper vollzieht, saß sie nur noch vor dem Computer und recherchierte Parkinson.

Und sie machte weiter, vier Jahre lang. Als Seniorenbeauftragte, mit Tanzen - das Lieblingshobby von ihr und ihrem Mann -, mit Sport. Dann stürzte sie schwer und brach sich den Arm. Sie erkrankte an Lunge, Blase, bekam unerträgliche Schmerzen in den Händen. Ganze Nächte fand sie nicht in den Schlaf. Da wurde ihr klar, was Parkinson bedeutet. Heute sagt sie das so: „Daran stirbt man nicht, sondern an irgendeiner anderen Sache, die Parkinson mit sich bringt.“

Wenn schon ein Rollator, dann der schickste

Sie sitzt in jenem Zimmer in ihrem Haus im Schmöllner Ortsteil Zschernitzsch, in dem sie nun immer ihre spezielle Gymnastik macht. Es liegt im Erdgeschoss, Treppen kann sie nur noch schwer laufen. Immer neben ihr: Der weiße Rollator, ohne den sie nicht mehr auskommt. „Es war sehr schwer, ihn zu akzeptieren“, gibt sie zu. „Doch wenn er schon sein muss, dann muss es der schickste sein“, sagt sie und lacht. Ihr Topro Pegasus ist es.

Gekauft hat sie den in einer Münchner Spezialklinik, in der sie alles über ihre Erkrankung erfuhr, Therapiemöglichkeiten entdeckte und lernte, welche Medikamente sie wie einnehmen muss. Klar ist: „Medikamente allein bringen dich nicht voran, wenn du Parkinson hast“, fasst sie all ihre Erfahrungen, die sie seit 2013 gesammelt hat, zusammen. Ihr Wissen, schmerzvoll erworben, will sie nun weitergeben an Menschen, die, wie sie, an Parkinson leiden, und an deren Familien. Sie ist deshalb Mitbegründerin der Parkinson-Selbsthilfegruppe Schmölln und Umgebung. „Weil es wichtig ist, sich nicht zu isolieren“, betont Christine Gräfe und meint damit auch sich selbst.

Als sie für drei Monate kein Auto fahren durfte, sie nicht mehr wegkam aus Zschernitzsch hin zu ihrem großen Freundeskreis, zu ihren Hobbys, zu all ihren Aufgaben, die sie so mochte, gab sie sich auf. Die sonst immer besonders gepflegte, geschmackvoll gekleidete, sorgsam frisierte Frau ließ sich gehen in dieser Zeit. Nichts war mehr wichtig für sie. Weil rundherum niemand da zu sein schien. Dass sie aus diesem Tief herausfand, dafür mobilisierte sie all ihre Kraft. Ihre Motivation war und ist ihre Familie, sind die beiden Söhne und besonders die beiden Enkelkinder Sebastian und Hanna. Der 18-Jährige hat am zweiten Adventwochenende in München ein Konzert. „Ich fahre natürlich hin mit dem Zug“, sagt Christine Gräfe, wohl wissend, dass sie diese Reise fast übermenschlich viel Kraft kosten wird.