Löbichau. Neue Erkenntnisse zu Schloss und Park Löbichau

Nachdem Herzogin Dorothea von Kurland beziehungsweise ihr Bruder im Dezember 1794 das Rittergut Löbichau erworben hatte, nahm sie hier umfangreiche Bauvorhaben in Angriff. Das alte Herrenhaus von 1555 befand sich in schlechtem Bauzustand. Dorothea war daher genötigt, während der Bauarbeiten im Ronneburger Badehaus zu logieren. Zunächst ließ sie das alte Herrenhaus sanieren und auch innen neu ausbauen. Es erhielt Wandverkleidungen aus Stoff und im Speisezimmer bemalte Paneele. Nur die japanischen Tapeten im Obergeschoss, welche noch vom Vorbesitzer herrührten, blieben erhalten und waren 100 Jahre später vorhanden. Sämtliche Zimmer hatten Parkettböden.

Im Juni 1798 standen diese Arbeiten kurz vor der Vollendung. Herzogin Dorothea ließ im rechten Winkel zum alten Herrenhaus das bisherige Wohngebäude des Pächters und die anschließenden Wirtschaftsgebäude zu einem neuen Schloss umbauen. Die Arbeiten dauerten drei Jahre. Die kurze Bauzeit war möglich, weil diese Gebäude erst vor 30 Jahren massiv neu errichtet und bis in eine Tiefe von 2,20 Meter gegründet worden waren. Ein Großteil der Außenmauern und viele Zwischenwände konnten daher erhalten bleiben, wobei die Außenmauern der Süd- und Ostseite mit Blendmauerwerk versehen wurden.

Das ursprünglich bereits 53 Meter lange Gebäude wurde um weitere zehn Meter in Richtung des alten Schlosses hin verlängert, woraus sich ein unvorteilhaftes Verhältnis von Länge und Breite des Neubaus ergab. In der Mitte des solcherart verlängerten Gebäudes wurde ein Portikus integriert. Mit Ausnahme des Portikus waren die Fassade und der Zuschnitt des Baus ungünstig proportioniert, die Räume unzweckmäßig und zudem feuergefährlich aufgeteilt. Da das Gebäude zu schmal für seine Länge ausfiel, waren viele Zimmer entweder als Durchgangszimmer angelegt oder ungünstig geschnitten. Ihre Böden wurden jedoch mit gediegenem Parkett belegt.

Wohl kein professioneller Architekt am Werk

Der Architekt dieses Schlosses ist nicht überliefert. Im 1987 erschienen Heft „Denkmale im Kreis Schmölln“ heißt es, stilistische und familiengeschichtliche Gründe ließen es als sicher erscheinen, dass der Entwurf des Schlosses einem Berliner Architekten zugeschrieben werden muss. Vielleicht müsse der Architekt auch im Umkreis von Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorf gesucht werden.

Wie Emilie von Binzer schreibt, hatte der jüngste Bruder der Herzogin, Christoph Johann (Jeannot) Friedrich Reichsgraf von Medem, seine Hand bei der Erbauung des Schlosses im Spiel. Er hatte Interesse an Architektur und für den Ehemann von Dorothea schon Entwürfe getätigt. Mit Ausnahme des Säulenportikus weist die Planung des Schlossgebäudes nicht die Hand eines professionellen Architekten auf. Es ist naheliegend, dass Jeannot von Medem für die Planung verantwortlich war. Für den Portikus griff er mit Sicherheit auf eine bereits vorliegende Planung für sein Schloss in Elley (damals Kurland, heute Elaja, Lettland) zurück. Diese Planung stammte vom Architekten Giacomo Quarenghi, der einer der renommiertesten russischen Baumeister des späten 18. Jahrhunderts war. Dessen Planung für den Portikus von Elley und die Ausführung des Portikus Löbichau weisen weitgehende Übereinstimmung auf.

Im Zentrum des Mittelbaus tritt an der Außenfront eine Erdgeschosshalle mit Kreuzgewölben, die in drei Rundbögen nach dem Garten geöffnet ist. Der auf diese Art entstehende neoklassizistische Obergeschoss-Altan war von vier hohen, ionischen Säulen an der Vorderseite aufgeteilt, die mit den Wandsäulen durch die beiden Obergeschosse durchliefen und tempelartig Gebälk und Giebeldach tragen. Der Altan war von einem zierlichen Eisengitter begrenzt, seine Decke bemalt. Das Dach des Schlosses war von einem Geländer sowie von Ziervasen bekrönt. Wenigstens die äußere Form des Portikus wurde beim Neubau des Schlosses Löbichau in den Jahren 2008 bis 2011 wieder aufgegriffen.

Das Aussehen des Schlosses lässt sich anhand einer Zeichnung von Professor Samuel Rösel aus dem Jahr 1808 sehr gut erkennen. Der Maler zeigte das Bild zunächst Johann Wolfgang von Goethe, bevor er es 1809 Herzogin Dorothea als Geburtstagsgeschenk sandte. Es handelt sich um die älteste ermittelte Darstellung des Schlosses Löbichau. Eine Kopie wurde der Autorin zur Verfügung gestellt von der Galerie Haugwitz, Berlin, welche das Original zum Kauf anbietet.

Baudirektor genießt hohes Ansehen

Für die Ausführung des Baus stellte die Herzogin Joseph Bernard Baumann aus Bollwiller im Elsaß an. Ab 1796 fungierte er in Löbichau als Bau- und Gartendirektor. Mit Sicherheit gehen auf den Kunstgärtner die Planungen für die Parks in Löbichau und Tannenfeld zurück, die in den folgenden Jahren entstanden. Dorothea muss ihn und seine Arbeit außerordentlich geschätzt haben. Seine bevorzugte Stellung geht schon daraus hervor, dass seine Hochzeit vom 31.Oktober 1797 „auf dem Herzoglichen Schloße zu Löbichau im Zimmer im Beyseyn der Durchlauchtigsten Herzogin mit ihrem ganzen Hofstaate mit einer kurzen Standrede“ stattfand. Die Braut war eine Kammerjungfer von Dorothea mit Namen Fräulein Sarah Hughes. Laut Eintrag im Großstechauer Trauverzeichnis war sie die eheleibliche Tochter des verstorbenen John Hughes, ansehnlicher Bürger zu London. In Frankreich wird behauptet, die Braut sei eine illegitime Tochter von Dorothea gewesen. Das ist unwahrscheinlich, aber nicht völlig ausgeschlossen. Sie hatte eine voreheliche Beziehung mit einem Mann, der sie verließ.

Auch als dem Ehepaar Baumann zwei Kinder geboren wurden, zeigt sich in den Patenschaften die geachtete Stellung der Eltern. Paten des 1798 getauften Kindes waren unter anderem Herzogin Dorothea und deren Liebhaber Graf Batowski. Taufpaten des 1800 getauften Kindes waren Herzogin Dorothea, Hans Wilhelm von Thümmel und der Maler Joseph Grassi, dessen Anwesenheit in Löbichau damit nachgewiesen ist. Die Taufen wurden jeweils im Visiten-Zimmer des Schlosses durchgeführt. Das Taufregister vermerkte dazu ausdrücklich, dass die hohen Paten das Kind jeweils in eigener Person aus der Taufe gehoben hatten, was mitnichten selbstverständlich war.

Der Tod seines Vaters zwang Baumann, 1801 seinen Dienst in Löbichau zu quittieren und in seine Heimat zurück zu kehren. Er übernahm dort gemeinsam mit seinem Bruder die väterliche Baumschule. Unter ihrer Leitung wurde die Baumschule die größte und schönste in ganz Europa mit Handelskontakten nach Russland, Afrika und Amerika. 1815 plante Baumann für die russische Großfürstin Anna Feodorowna in der Schweiz einen englischen Landschaftsgarten. Die Besitzerin gab ihm den Namen Elfenau – ein Name, mit dem auch Löbichau ab 1819 gern bezeichnet wurde. Baumschule und Gärtnerei Baumann in Bollwiller bestanden bis zum Jahr 1992.

Vor dem Portikus des neuen Schlosses entstand ein englischer Landschaftsgarten mit Blumenwiesen sowie Baumgruppen, umgeben von blühenden Hecken aus Spiersträuchern. An der Portalseite des Schlosses erstreckte sich ein großer, leicht ovaler Rasenplatz.

Über Zugbrücke zur Insel

Die Wiese ist bis heute von dem Bach Beerwalder Sprotte durchflossen. Wege umrundeten die Wiese und führten durch den Park. An zwei Stellen überquerten sie mittels Brücken das Bächlein. An der nördlichen Seite des den Rasen begrenzenden Gehölzrandes befand sich das Komödienhaus. Wenn man vom Schloss aus den Weg rechts am Komödienhaus vorbeiging, kam man an ein Blumenbeet, das seiner Form wegen „der halbe Mond“ hieß. An der Schmalseite des Rasenplatzes, mit Blick auf den Schlossportikus, stand bei schönem Wetter das Zelt, in dem Dorothea gern Frühstück oder Kaffee zu sich nahm.

Der Bach umfließt in Gestalt eines Teiches bis heute eine kleine Insel. Diese war durch eine Zugbrücke erreichbar. Auf der Insel standen auf der einen Seite Bäume und spendeten den Bänken Schatten. Davor – mit Blick auf das Schloss – waren Blumenbeete angelegt.

Der östliche Innenhof des Schlosses wurde mit Sand bestreut und ein von einem weißen Zaun umgebener Rasenplatz angelegt. In seiner Mitte plätscherte ein Springbrunnen in ein Wasserbecken mit Goldfischen, die damals eine teure Rarität waren. Eine etwa drei Meter hohe Mauer trennte die Wirtschaftsgebäude mit Ställen und Scheunen vom herrschaftlichen Teil. Nach Abschluss aller Arbeiten im Jahr 1800 galt das Gut Löbichau als eine der schönsten, wenn nicht sogar als die schönste Privatbesitzung des Herzogtums Sachsen-Altenburg überhaupt.